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Manchmal sehe ich an er Uni noch Dr. Anne D., bei der ich vor ein paar Jahren ein zur Abwechslung interessantes und gemütliches Seminar besucht habe. Keine Ahnung, warum ihre Übungen im Vorlesungsverzeichnis für Geschichte stehen: eigenltich ist die Doktorin der Philosophie und es geht in den Seminaren fast ausschließlich um theologische und philosophische Diskussionen des siebzehnten Jahrhundert. Keine Ahnung, warum ihre Übungen im Haus der Niederlande stattfinden - vielleicht weil sie aus Belgien stammt? Ihr Akzent kann sich nie wirklich zwischen französischen und englischen Wurzeln entscheiden, aber wenn sie einen Exkurs in einer dieser Sprachen startet, kann es genauso passieren, dass plötzlich deutsche Wörter in ihre Rede einfließen. Vor ein paar Jahren habe ich bei ihr ein Seminar über Menasseh Ben Isaak besucht, einem Rabbiner aus Amsterdam, der das englische Parlament dazu überreden wollte, Juden die Ansiedlung auf den britischen Inseln wieder zu erlauben, später ging es in dem Seminar aber mehr um englische Flugschriften aus der Zeit des Bürgerkriegs, in denen religiöse Eiferer ihre Hoffnung zum Ausdruck brachten, mit der Ansiedlung der Juden in England könnte endlich deren Zerstreung beendet werden und damit nach der Prophezeiung Daniels das Weltende endlich möglich sein. Ihr Seminar hat die vier Studenten, die regelmäßig dienstag morgends im Krameramtshaus erschienen, in einiger Verwirrung zurückgelassen: einen katholischen Theologen, der kurz davor war, zum Priester gesalbt zu werden, eine etwas verhärmte Studentin der evangelischen Theologie, und ein Geschichtsstudent, der nachher meinte: hat sie eigentlich eine der Fragen beantwortet, die sie am Anfang gestellt hat? Nö, meinte ich, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, das sie auch nie wirklich vorgehabt hat.
Manchmal sehe ich sie, in der Unibibliothek, mit riesigen Taschen voller Stapel Kopien, oder unter den Bögen vor dem Krameramtshaus, wenn sie den Regen abwartet, und sich eine raucht, ihre gedrungene, dicke Gestalt in einen etwas verschlissenen Pelzmantel gehüllt, eine Hand hält die Zigarette, mit der anderen versucht sie ihr Fahrrad mit den vielen Tüten und Beuteln am Umfallen zu hindern, und mit skeptischen Blicken mustert sie die Vorbeilaufenden.

Samstag bin ich mit meiner Freundin und meiner Oma ausgegangen. Zum Italiener, da fällt meiner Oma die Wahl nicht so schwer, zu einem Spaziergang auf der Promenade, und zu einem Kaffee, irgendwo.
Plötzlich fing meine Oma an zu erzählen - falscher Satzanfang, eigentlich redet meine Oma ununterbrochen, also nochmal -
Plötzlich wechselte meine Oma das Thema und erzählte von der Zeit nach dem Krieg, als sie mit ihrem Mann in dem Kino an der Weselerstraße (wo später das Jovel war und jetzt ein Supermarkt) Aufklärungsfilme ansehen mußte.
Aufklärungsfilme, Oma??
Ja, aber natürlich mehr so wegen Krankheiten und so. Auf jeden Fall mußten Männer und Frauen getrennt sitzen, in unterschiedlichen Hälften des Kinos. Aber meine Oma hatte Glück, und sie kichert, während sie das erzählt: sie konnte direkt am Rand sitzen, und direkt neben ihrem Mann.
Es war gar nicht so einfach, dass ins Englische zu übersetzen. "Enlightment" passt irgendwie in diesem Zusammenhang nicht, und ein wirkliches englisches Wort gibt es nicht, nur einen langen idiomatischen Ausdruck mit "bees" etc.
Jocelyn muß lachen, als ich ihr die Storxy übersetze, dann denkt sie kurz nach, und plötzlich fragt sie: Wie ist deine Oma denn auf einmal auf DIESES Thema gekommen??

Ein Semesterferienjob ist zu Ende gegangen. Die letzten Wochen sollte ich für eine etwas esoterisch angehauchte Nachbarin ihre Balkonblumen gießen. Ihre Wohnung ist vollgestellt mit Büchern von C.G.Jung und Sammelausgaben von Hermann Hesse, und im Regal steht auf einem Ehrenplatz ein richtig antiker Buddhakopf aus der Zeit der Gandhara-Dynastie, sehr kostbar, sagt sie, lassen Sie bloß niemanden in die Wohnung, dem man nicht trauen kann.
Eigentlich habe ich sowieso kein Händchen für Blumen, aber diesmal ist mir noch etwas anderes sehr dummes passiert: gerade als es Ende August am heißesten war, habe ich den Schlüssel in ihrer Wohnung liegengelassen. In Münster hatte niemand einen Ersatzschlüssel. Also mußte ich vom Nachbarbalkon ziemlich akrobatisch über die Mauer klettern, um wenigsten alle paar Wochen mal die Blumen zu gießen. Gereicht hat es aber trotzdem nicht: ein paat Blumen sind trotzdem eingegangen, die Dame war zwar nicht sehr glücklich darüber, blieb aber trotzdem freundlich, und ich habe insgesamt sechs Euro mit diesem Job verdient.

Vor ein paar Tagen hat eine persische Frau meine Mutter besucht. Schon am Vortag hatte sie mehrmals bei meiner Familie angeklingelt, aber meine Mutter nicht erreicht, jetzt stand sie endlich in der Küche und versuchte ihr Anliegen zu erklären. Was ziemlich schwierig war, denn sie spricht nur ein paar Wörter Deutsch, und meine Mutter nur ein wenig Farsi.
Sie hatte einen Notizzettel dabei mit einer Internetadresse von Johannes B. Kerner und dem Namen einer ehemaligen persischen Königin - Farah Diba. Sie wollte irgendjemandem schreiben, zu erst dachten wir Johannes B. Kerner (seine Internetadresse stimmte nicht, aber schließlich fanden wir über Google heraus, dass Farah Diba letztens in seiner Schau gewesen war). Schließlich verstanden wir: sie wollte Farah Diba schreiben, und tatsächlich fanden wir auch ihre Website. Wirklich sehenswert, mit vielen Photogalerien (Der Schah mit seiner Frau in Disney World, California, Der Schah mit seiner Frau und ihrem ersten Kind, Der Schah mit seiner Frau während ihrer Krönung) und sogar Links zu Seiten, auf denen z.B. Persepolis in 3-D-Bildern präsentiert wird. (Jocelyn?s Lieblingsbild und der wohl größte Lacher: "Me and my husband holding hands.")
Man konnte der Ex-Schah-Frau auch e-mails schreiben, aber wir konnten die Funktion nicht finden, mit denen man persische Buchstaben schreibt, bzw. mit unserer Tastatur war das nicht möglich, so dass unsere persische Bekannte (sie wollte Farah Diba um Geld bitten, um ihre Eltern aus dem Iran ausfliegen zu lassen) noch mal wieder kommen wird. Dann wird sie einen Brief vorbereitet haben, den wir dann wohl auf Englisch an die "former empress of Persia" (so der Titel der Website) schicken werden.

Vor ein paar Tagen hatte ich mich gerade auf ein kleines Mäuerchen gesetzt, um ein paar der vielleicht schon letzten Sonnenminuten für einen Anruf zu nutzen, als ein Mädchen vorbeilief, mit einer Zigarette in der Hand und einem leisen Lächeln auf dem Gesicht. Sicher wegen des guten Wetters. Sie trug einen Apothekenkittel.
Eine alte, schon gebückt langsam vor sich her laufende Frau kam ihr entgegen, blieb stehen und stutzte.
Aber Mädchen, sagte sie, Mädchen, und stützte sich auf den Ellenbogen der jungen Frau.
Das können Sie doch nicht machen.
Das Mädchen sah etwas verduzt aus.
Sie wissen doch, wie UNGESUND das ist, oder? Und sie streckte ihren Kopf so hoch wie möglich dem Gesicht der Jüngeren entgegen.
Das Mädchen lachte etwas verlegen.
Ja, natürlich, ich weiß, aber das ist leichter gesagt als getan.
Ich würd mich so für Sie freuen, meinte die alte Frau, und langsam humpelte sie weiter.

Und hat das jetzt was gebracht?
Sublimieren nennt man den Prozeß, wenn man Frustrationen, Ängste, Depressionen, Verzweiflung oder Aggresionen in ein literarisches Produkt transformiert.
Ich wünsche allen, die nicht mitfliegen konnten, einen trotzdem schönen Sonntag. Ich finde: wir haben uns gut geschlagen. Das Geld ist weg und Jocelyn immer noch nicht hier, aber sie wird kommen, wir werden vorerst in keinem Hurrican sterben, ehrlich waren wir auch,
und das Geld, hmm. Jetzt haben wir halt mal Gelegenheit zu zeigen, dass uns andere Dinge wichtiger sind.
Am schönsten finde ich gerade, dass ich jetzt überhaupt keine Termine hab. Obwohl das auch ein bißchen was beängstigendes hat.

Noch etwas aus Theresas Afrika-Erfahrungen:

(weil Luise heute aufgefallen ist, daß auf den Hochzeitsbildern niemand lächelt, abgesehen von Theresa)

In Deutschland wird nie gelächelt, nur auf Fotos.

Die Menschen in Afrika lächeln ununterbrochen, nur für den Fotografen macht man ein ernsthaftes Gesicht, schließlich handelt es sich um eine wichtige Angelegenheit.

Gestern hat mir ein sehr, sehr alter Mann erzählt, daß er um 1950 ein paar Jahre in Kanada gelebt hat. Einmal hat er da die Queen gesehen, so nah wie die Wand da vorne, meint er. Und seine Herbergswirtin hat den Untergang der Titanic überlebt, sie war auf dem Weg nach Amerika zu ihrem Mann, für sie war ein Platz im Rettungsboot, aber sie hat erzählt, wie die Männer vom Ordnungspersonal mit Schlägen zurück aufs Schiff zurückgetrieben wurden und alle ertrunken oder erfroren sind.
(Jocelyn`s comment: Oh, I guess that poor old man was confused and watched some history channel on TV.)
Aber ich glaube ihm. Allerdings hat er mich gestern auch mit Eis bestochen. Er hat eine Packung mit Cornettowaffeleis gekauft, aber in den Kühlschrank und nicht in die Tiefkühltruhe gesteckt, natürlich war das Eis geschmolzen, warm wie Pudding und vor allem mußte alles weg. Ich war gezwungen mindestens drei Stück zu essen und nachher hatte ich Durchfall.

Wurde im Radio gesagt:
Urlaub macht dumm.
Nach drei Wochen nichts tun am Strand verliert ein Durchschnittsdeutscher zwanzig Prozent seiner Intelligenz.
Bei zusätzlich übermäßigem Alkoholgenuss kann man durchaus noch mehr als nur zwanzig IQ-Punkte verlieren.
Selbst nach wochenlangem konzentriertem Arbeiten nach dem Urlaub ist eine völlige Regeneration nicht garantiert.
Was kann man dagegen tun?
Der Intelligenzpsychologe im Radio meint:
Fremdsprachen sprechen, sich für Einheimische und Mitreisende interessieren, Schach spielen, auch Kartenspiele, aber besser Skat als Mau-Mau, Initiativausflüge machen.

Theresa ist aus Afrika zurück und jetzt verheiratet (aber das ist eine andere Geschichte).
Am erschütternsten fand sie den alltäglichen Überlebenskampf der Meschen, selbst der kranken, alten oder behinderten, Menschen ohne Beine, die auf Holzbrettern zwischen den Autos hin und her fahren und betteln, man hat dort gar keine Zeit krank zu sein, meint Theresa, sogar ich war immer so beschäftigt, schnell in die Sammeltaxen ein- oder wieder auszusteigen, dass ich meine Arthrose ganz vergessen habe. Und überall riecht es nach verbrannten Plastiktüten.
Am beeindruckensten fand sie die Großzügigkeit und Gastfreundschaft selbst der Ärmsten, gerade in ihrem Überlebenskampf, man bekommt immer etwas angeboten, wird in die Wellblechhütte gebeten und das Essen miteinander geteilt.
Seitdem sie wieder zurück ist, kommt ihr Deutschland ganz leer und leise vor, als würden die Menschen hier voreinander weglaufen.

 

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