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menschen die ich mag

Zum Beispiel mag ich Georg Rabach
WEIL er mir seinen kleinen Garten auf der Dominsel in Brandenburg gezeigt hat. Die Dominsel (kleiner Exkurs) ist der älteste Teil der Stadt Brandenburgs, und wie jeder in Brandenburg stolz erzählt, älter als Berlin, und besteht nur aus ein paar Häuserzeilen und dem gotischen Backsteindom. In einem der wenigen Häusern ist Georg Rabach 1920 geboren worden und bis 1998 hat er auf der kleinen Insel gelebt, bis seine Frau starb und er ins Haus seiner Tochter umgezogen ist, aber noch immer macht er sich jeden zweiten Tag auf die mindestens halbstündige Reise zur Dominsel, öffnet die Gittertür neben seinem Geburtshaus und geht langsam auf dem schmalen Pfad zwischen den Gärten zum Seeufer. Eigentlich kein Seeufer, sondern das Ufer eines Flußarms, als Kind ist er zur anderen Seite geschwommen oder zu einer unbewohnten Insel mit riesigen Bäumen, auf denen Reiher nisten. Dann geht er zu seinem kleinen Grundstück, auf dem er mit seiner Familie zu DDR-Zeiten illegale religiöse Zusammenkünfte abgehalten hat, trinkt ein Bierchen auf der Terrasse des kleinen Gartenhäuschen und sieht nach den Tomaten im Treibhaus. WEIL er sagt: sechs Jahre warte ich jetzt auf meine Frau, aber sieh mal: als ich im Gefängnis war, hat sie sieben Jahre auf mich gewartet. Und wir konnten uns nur alle drei Monate eine halbe Stunde sehen und nicht mal berühren. Und gerade mal einen kleinen Brief im Monat schreiben, wenn er nicht zensiert wurde. Jetzt warte ich, aber wenn sie wiederkommt, möchte ich dabei sein.

Zum Beispiel mag ich Armin
schon alleine WEIL er immer noch lebt, und die Ärzte haben ihn schon vor drei Jahren aufgegeben. Aber Moni kämpft um ihren Mann wie ein Löwe, damals hat sie ein neues Medikament durchgesetzt und der Krebs konnte gestoppt werden, und jetzt hofft sie immer noch und versucht es mit einer Apfelsinenkernkur. Was die Ärzte sagen ist mir egal, sagt sie, da hat immer noch Gott da letzte Wort, und solange noch was geht, glaub ich fest daran, dass Armin das schafft.
Armin ist fünfundzwanzig Jahre älter als Moni und früher, als junger Mann, hat er als Orgelspieler auf Veranstaltungen Musik gemacht. Am liebsten sitzt er auf seinem Balkon, blickt über die Felder an der Gasselstiege und erzählt vom Krieg, als er auf genau diesen Feldern von englischen Fliegern angegriffen wurde.
Letzte Woche hat Moni ein paar Leute angerufen, die auf der Orgel spielen sollten. Sie hat das Bild mit dem Wasserfall angestellt (das Wasser auf dem Bild begann sich zu bewegen) und dann hat sie Arnim im Krankenhaus angerufen, um ihm mit der Orgelmusik eine Freude zu machen.

zum Beispiel mag ich LaVita
WEIL das ja wohl der beste Mädchenname überhaupt ist. Und WEIL ich Menschen mag, bei denen man nicht weiß, welche verrückten Ideen sie als nächstes haben, zum Beispiel Japanisch zu lernen, um nach Tokio zu fliehen, oder endlich mal Schlagzeug zu spielen, oder einfach mal zwei Monate aufhören zu arbeiten, um sich über seine Zukunft klar zu werden. WEIL sie nach dem ersten Hurrican vor vier Wochen so verängstigt gewesen war (sie war alleine zu Hause gewesen, der Strom war plötzlich weg und das Auge des Sturmes viel näher als angekündigt), dass sie beim zweiten Hurrican Jocelyn anrief um ihr zu erzählen, dass sie gerade in der Central Station Manhattan sei, in Florida hätte sie es nicht mehr ausgehalten. Ich glaube, da wartet sie den dritten Hurrican jetzt auch noch ab.

zum Beispiel mochte ich meine Chefin
und nicht nur WEIL sie meine Chefin jetzt nicht mehr ist, sondern WEIL sie sich sehr angenehm von den Professoren unterscheidet, die ihren Hilfskräften nur ungerne wöchentlich einmal eine Audienz gewähren. Meine Chefin mußte ich duzen undmit dem Vornamen ansprechen. Wenn ich das am Anfang manchmal vergaß und sie doch noch einmal siezte, rief sie laut: DU!DU!DU!DU!, und irgendwann hatte ich das dann verinnerlicht. WEIL sie alle paar Monate ihre Hilfskräfte zum Essen einlädt, selber Nudeln dazu kocht und dabei Unmengen Wein vertilgen läßt, und in einem niedlichen schweizer Dialekt ihre Geschichte einer Baslerin im Exil erzählt, die seit zehn Jahren mit einem Deutschen verheiratet ist und eine Professur in Deutschland hat, aber immer noch keine Aufenthaltsgenehmigung. WEIL ich mir vorher nicht vorstellen konnte, gerne an der Uni zu arbeiten.

Zum Beispiel mag ich Gaby
WEIL sie für mich ungefähr das ist, was man in der DDR "Heldin der Arbeit" nannte. Morgens fährt sie, zur Zeit mit dem Fahrrad, zu ihrer Firma, in der sie acht Stunden lang damit beschäftigt sein wird, Fleisch in Supermarktpackungen einzulegen. Der Geräuschpegel ist so laut, die Maschinen lärmen so ununterbrochen, dass sie einen Ohrenschützer trägt, auch wenn ihre Kollegen sie am Anfang Mickey Mouse nannten. Uhren darf sie auf der Arbeit nicht tragen, öffentliche Uhren gibt es in den Arbeitsräumen nicht, nur wenn die Maschinen gerade stehen, hätte sie kurz Gelegenheit, an einem der Geräte auf eine kleine Digitalanzeige zu gucken. Meistens wartet sie aber einfach darauf, dass der Maschinenführer die Pause ankündigt. Sie schält sich dann aus ihren Arbeitsklamotten und arbeitet sich durch die Desinfizierung. Die Pause verbringt sie in der Kantine, dem einzigen Ort mit einer großen Uhr. Dort ißt sie ein paar Butterbrote. Bezahlt wird sie nach der Anzahl der erledigten Fleischpackungen. Sie weiß, das sie noch viele Jahre wird dort arbeiten müssen. Das stundenlange Stehen geht ihr in den Rücken, aber ihr geht es besser, seitdem sie im Fitnessstudio Rückenübungen macht. WEIL sie trotzdem so viele positive Dinge in ihrem Leben sieht, zum Beispiel die Pferde auf dem Weg zu ihrer Arbeit, und sich nie beschwert. WEIL sie immer das Beste aus ihrem Tag macht und sehr viel Freundlichkeit ausstrahlt.

Zum Beispiel mag ich meinen Bruder Manuel
WEIL er am Wochenende eine richtig nette Party im Garten meiner Eltern veranstaltet hat, und er hat vorher soviele Pavillons aufgebaut, daß noch nicht einmal die 15Liter Regen pro Quadratmeter am Samstagabend die Stimmung kaputt machen konnten. WEIL er die netteste Lache der Welt hat, wenn er richtig Spaß an etwas hat und dann in sich hineingluckert. WEIL ich mir manchmal wünschen würde, auch so praktisch veranlagt zu sein. Ein, zwei Griffe, alles erledigt, sieht auch noch gut aus und ich kann nur dastehen und staunen.

zum Beispiel mag ich meine Mutter
WEIL sie mit ihren Söhnen auf ein richtiges Rock-Festival gefahren ist und drei Nächte dort campiert hat, und jeden Abend hat sie bis zum letzten Act durchgehalten. Das hab ich nicht geschafft. Auf ihrem Campingstuhl sitzt sie, ein Bein über das andere geschlagen, in dem Shirt mit dem Leopardenfellmuster, die blau getönten sonnenbrillengläser nach hinten geschoben, queen of rock, und meint: Meine güte ist das heiß, guck doch noch mal nach, Robin, das sind jetzt bestimmt schon 42 Grad.
Man muß sie einfach lieben.

Zum Beispiel mag ich Song-Seuk
WEIL sie noch eben schnell in dieser Rubrik auftauchen sollte, bervor sie mit ihrer Familie nach Frankfurt zieht. WEIL ihre heißen, scharfen koreanischen Suppen in den letzten Jahren das beste Mittel gegen meine Erkältungen waren. WEIL sie in ihrem Leben schon mindestens vierzig, fünfzig Mal umgezogen ist, und sie trotzdem Ruhe und Sicherheit ausstrahlt. WEIL sie einen sehr gastfreundlichen, großzügigen und herzlichen Charakter hat, und trotzdem immer noch nicht ganz an den kalten, desinteressierten Deutschen verzweifelt ist. Einen hat sie sogar geheiratet (der ist aber auch nicht kalt und desinteressiert). Die Hochzeit wurde im Internet nach Korea übertragen, damit ihr Vater (ein evangelischer Pfarrer) alles miterleben konnte, und sie saß in ihrem traditionellem grünroten Hochzeitskleid vor dem Standesbeamten und hat die ganze Zeit geweint. WEIL sie sich eine halbe Stunde lang lauthals gefreut hat, nur weil ich ihr erwähnte, dass ich eine Freundin habe. Ich muß ihr wie ein hoffnungsloser Fall vorgekommen sein.

Zum Beispiel mag ich Moni Weber
WEIL sie zwar nur eine sehr kleine Person ist, höhenmäßig, aber dafür ist ihr Herz doppelt so groß wie ihr Körper hoch, mindestens. WEIL sie eigenlich aus Berlin kommt und wahrscheinlich deswegen sagt was sie denkt, und sie sagt soviel, dass es manchmal so scheint, als würde ihre Zunge jeden Denkprozess automatisch in Worte umsetzen. Ein bißchen bin ich traurig, dass ich die großen gelben Fleischtomaten, die sie in ihrer Kindheit in Berlin gegessen hat und die ich für sie besorgen sollte, dort nicht gefunden habe. WEIL sie immer eine ganze Menge Hustenbonbons dabei hat, wenn man gerade eins braucht, für den Kreislauf oder die Stimme. Überhaupt hat sie immer etwas für andere dabei, und wenn sie Besuch hat, läuft sie vor Freude aufgeregt zwischen Küche und Eßzimmer hin und her und macht dabei kleine Luftsprünge.

zum Beispiel mag ich den Simon aus Köln
WEIL er zwar nicht aus Köln kommt, aber für diese Stadt wie gemacht ist: unverklemmt kontaktfreudig und unberechenbar in seinen Freudenausbrüchen. WEIL er sich in seinem Zimmer direkt unter der Decke einen Denkerstuhl angebracht hat, falls ihm mal nach Denken ist, und das kommt bestimmt nicht selten vor. WEIL seine Fotoalben voll sind mit Fotos von Graffittis aus Belfast, Barcelona oder New York, und überhaupt viele seiner Fotos oft mehr Geschichten erzählen als so manche Weblogbeiträge.

 

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