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das universum (eine bibliothek)

Noch mehr über Wale: gerade malt mir Joshua (acht Jahre) jede Woche ein Walbild und fast habe ich "Moby Dick" von Hermann Melville durchgelesen, eins von diesen Büchern, die zu lesen man immer wieder hinausschiebt: unendlich dick ist das Buch und eigentlich glaubt man zu wissen worum es geht, Käp´tn Ahab jagt den weißen Wal. Aber eigentlich geht es wie in jedem Buch um viel mehr, um alles. Zwar muß man sich immer wieder durch Kapitel lesen, in denen detailliert Walfangschiffe, Walfangtechniken, Waltauchtechniken und Walfanggechichte beschrieben wird, aber immer wieder löst sich die Geschichte von technischen Details und das Buch wird sehr nachdenklich, und wenn es um die Wale geht, sogar sehr zärtlich, obwohl es aus der Perspektive des Walfängers Ismael geschrieben wurde. Zwei Beispiele (aber es gibt unendlich viele, und das Buch ist ja noch gar nicht zuende gelesen, und am Ende soll es noch richtig spannend werden): in einem Kapitel kreuzt die Pequod (so heißt Ahabs Schiff) über einem riesigen Schwarm Wale (daher heißt das Kapitel: die Armada) und die Walfänger beobachten in den Tiefen des klaren Wassers gerührt säugende Mutterwale, deren Junge arglos die Schatten des Schiffes betrachten, welches unterwegs ist, die eigenen Artgenossen zu schlachten. In einem anderen, berühmten Kapitel wird die Frage untersucht, warum die Farbe Weiß einen besonderen Schrecken ausstrahlt (Moby Dick ist ja ein weißer Wal) und Ismael stellt am Ende fest, dass im Grunde die ganze Welt nur in ein weißes Leichentuch gehüllt ist, schließlich werden alle bunten Farben absorbiert, um von uns gesehen zu werden, zurück könne also nur das bleiche, fahle Weiß bleiben.

Eigentlich ließt man ja ungerne Bücher, die Professoren empfehlen, aber in diesem Fall hat es sich gelohnt, und nicht nur weil das Buch zu meiner Magisterarbeit paßt:
Die Akte Romeo, ein Erinnerungsbericht von Timothy Garton Ash.
Wenige Historiker schreiben so geistreich und breitgefächertem Interesse, und dieses Buch ist auch noch spannend, und es handelt von ihm selbst. Zwischen 1979 und 81 lebte Ash in Berlin, teilweise auch in Ostberlin, und war damals noch ein junger Mann (also auch heute immer noch keiner der Historiker der älteren Generation). Was er damals noch nicht wußte, wenn auch ahnte: die Stasi ließ ihn observieren und nannte seine Akte "Romeo". Nach der Wende hat Ash sich in seiner Akte festgelesen, sie mit seinen eigenen Erinnerungen und Tagebucheinträgen verglichen und seine damaligen Spitzel mit der Akte konfrontiert. Daraus ist ein spannendes und ehrliches Buch geworden, und eigentlich kann man sich kaum noch vorstellen, das diese Welt der Spitzel und des kalten Krieges noch gar nicht so lange zurückliegen.

Ernest Hemingway hat auch in Florida eine Zeitlang gelebt, in einem schmucken Kolonialstil-Herrenhaus in Key West. Das Gebäude ist heute eine Gedenkstätte und im Garten (aber auch in dem Museum) lebt jetzt noch ein ganzer Haufen Katzen, der von Hemingways Katze abstammen soll. Besonders spektakulär ist das Museum nicht, der Garten ist sehr schön und üppig, an den Wänden hängen ziemlich geschmacklose Bilder und Postkarten von Wintersportorten im Montafon, und auf Hemingways Ehebett räkeln sich die besagten Katzen. Spektakulär ist nur der Eintrittspreis, "Are you kidding??" fragt ein entvervter Tourist, als er die Höhe erfährt.
Ein Buch gibt es, welches auch auf den Keys spielt (der Name hat mit Schlüsseln übrigens nichts zu tun, sondern kommt von dem spanischen Wort für kleine Inseln, cayos): Haben und Nichthaben, ein spannendes Buch über Hemingways Alter Ego Harry, der entweder in der Hafenbar sitzt (die es heut noch gibt und von Touristen überlaufen ist) oder Waffen oder Menschen nach Kuba zu schmuggeln versucht, was natürlich nur tragisch enden kann.

Wenn ich nicht zufällig etwas Gutes über Evelyn Waugh (den ich erst für eine Frau hielt) gehört hätte, wäre ich wohl nie auf die Idee gekommen Wiedersehen in Brideshead zu lesen. Der Titel klingt nach dem Buch zu einem englischen Kostümfilm, und außerdem stand das Buch in der Stadtbibliothek unter "bewährter Unterhaltung", neben Simmel, Konsalik und Co. Und dann wäre mir dieses schöne Buch entgangen, in dem es zum Glück nicht nur um den Niedergang einer adeligen, englischen Familie geht (wie der Klappentext und das Literaturlexicon behaupten), sondern zum Beispiel auch um einen versnobten Oxfordstudenten mit Teddybärkult, oder um den Katholizismus als Minderheitenreligion in England, um den niemand in der besagten Familie herum kommt, wie skeptisch er auch sonst sein mag, so sehr beherrschen Letzte Ölung und Kommunion ihre Gedankenwelt, oder um eine Liebesgeschichte, die am Katholizismus scheitert.
Den Autor hinderte das nicht, trotzdem katholisch zu werden.

Endlich hat mich Georgs Weblog mit seinem Kafka-Link auf die Idee gebracht, etwas über Kafka zu schreiben.
Also: etwas für alle, die sich überfordert fühlen, die das Gefühl haben, die ganze Welt nage an ihnen, die ein grundsätzlich schlechtes Gewissen haben, die sich nie völlig sicher sind, ob ein Alptraum Wirklichkeit oder ihre Wirklichkeit ein Alpttraum ist, denen ständig etwas dummes passiert, und niemand als sie selbst ist Schuld daran:
Verwandlung
die Geschichte von Gregor Samsa, der eines Tages erwachte und sich in ein riesiges Ungeziefer verwandelt fand. Warum? Müßt ihr selber rausfinden. Oder habt ihr schon eine Theorie?

(alle zufrieden und ich auch)
So heißt eine Taverne in Unter dem Vulkan, einem Buch von Malcolm Lowry, könnte es einen schöneren Namen für eine Kneipe geben? Was ansonsten dort passiert, und in ein paar anderen Kneipen in einer kleinen Ortschaft in Mexico, am Fuß der großen Vulkane, die eigentlich schlafende aztekische Prinzen und Prinzessinen sind, ist aber weniger idyllisch als tragisch. Erzählt wird die Geschichte eines abgesetzten und geschiedenen britischen Konsuls, der trunksüchtig ist und selbst von seiner ehemaligen Frau, die ihn immer noch liebt und deswegen nach Mexico zurückkehrt, nicht gerettet werden kann.
Als ich das Buch im Zug auf der Fahrt nach Haldern lese, sitzt in dem Abteil gegenüber ein einsamer Biertrinker, plötzlich schiebt er das Fenster nach unten und singt gegen den Fahrtwind: Ein einziges freundliches Wort / macht manchmal wieder alles gut.

In Michael Lermontows Ein Held unserer Zeit leidet ein junger, reicher, intelligenter Mann an Überdruß und Langeweile und versucht sich abzulenken, indem er andere Menschen gegeneinander ausspielt. Glücklicher wird er dadurch nicht.
Das Buch wurde im Neunzehnten Jahrhundert geschrieben. Trotzdem hat man das Gefühl, eigentlich ginge es um einen Helden unserer Zeit. Aufgewachsen ohne Illusionen, steht er manchmal heroisch über seinen Gefühlen und Mitmenschen, dann wieder versinkt er in Verzweiflung und sucht sich zu betäuben, wie unsere Generation, schwankend zwischen Selbstverwirklichung auf Kosten anderer, den Versuchen, am Wochenende alles zu vergessen, und der Verzweiflung der Hoffnungslosen.
Noch eine andere traurige Person gibt es in dem Buch: einen Offizier, der sich mit der Hauptperson befreundet wähnt und ihn nach langer Zeit wieder sieht. Seine Vorfreude auf das Treffen stößt aber nur auf kaltes Desinteresse und er bleibt nach einem Drittel der Erzählung verbittert und freudlos zurück.

Heute mal ein Sachbuch: Die Eroberung des Körpers von Paul VIrilio. Manches in dem Buch wirkt sehr phantastisch - man wünscht sich fast, man läse eigentlich einen Roman (gruß an jasper: im klappentext stand auch was vom zeitgenössischen Jules Verne). Leider schreibt er aber über die wirklich existierende, zunehmende Macht von Bio- und Informationstechniken. Er beschreibt das Übermaß an Informations- und Transportsoptionen, aber auch über die immer größeren Möglichkeiten, Körperteile durch Prothesen und Implantationen zu ersetzen. Er befürchtet dadurch ein Verschwinden von Raum und Zeit in unserer Wahrnehmung, letztendlich auch ein Verschwinden von biologischen Körperfunktionen. Der Mensch würde immer weniger individuell, immer virtueller und immer manipulierbarer werden. Das Verschwinden von Zeit erzeugt natürlich auch Lange-Weile (im eigentlichen Wortsinn), daher die immer neuen Versuche, die Lange-Weile mit Extremsportarten, Drogen oder manchen Formen elektronischer Musik abzutöten. Virilio beschreibt das natürlich viel einleuchtender und fundierter, aber vielleicht haben wir ja trotzdem Glück und er irrt sich.

Manchmal, immer seltener, liest man ein derart gutes Buch, dass selbst der Schlaf, der sonst dafür sorgt, dass beim Lesen die Augen zufallen, schwächer ist, und man das Gefühl hat, zuviel Kaffee getrunken zu haben. Vorgestern ist mir das mit einem Buch von Philip Roth passiert: Der menschliche Makel. Ein erfolgreicher Professor muß wegen eines angeblich rassistischen Kommentars von seinen Ämtern zurücktreten, aber im Laufe des Buches kommt heraus, dass dieser Professor selbst eigentlich ein Schwarzer ist, der während des Krieges behauptet hat, Weißer zu sein, ihm wurde das geglaubt, weil er sehr hellhäutig war, er hat den Kontakt zu seiner Familie abgebrochen und eine jüdische Identität angenommen. Aber den menschlichen Makel, der nicht in irgendeiner Hautfarbe, sondern der menschlichen Unvollkommenheít besteht (wie seine Schwester am Ende feststellt), konnte er nicht ablegen, der verfolgt jeden, in dem Buch auch noch ein paar andere Personen, die in die Geschichte éingebunden sind und ihr eigenes tragisches Leben zur Geschichte beitragen, zum Beispiel einen Vietnam-Veteran, der zum ersten Mal versucht, ein vietnamesisches Restaurant zu besuchen.

Letzte Woche habe ich von Gustave Flaubert endlich die Drei Erzählungen gelesen, eines von diesen Büchern, die man eigentlich schon längst gelesen haben wollte. Am beeindruckensten ist wohl die Geschichte der Dienstmagd Felicité (das heißt Glück), die Flaubert in Ein schlichtes Herz erzählt. Sinnigerweise ist diese einfache und eigentlich ihr Leben lang einsame Frau tatsächlich auf eine traurige Weise glücklich: weil sie sehr katholisch ist und alles glaubt, was man ihr über Heiligenlegenden, die Mutter Gottes und das Mysterium der Kommunion erzählt. Das ihr Glaube nur eine traurige Illusion ist, zeigt Flaubert durch ein bedrückendes Bild: ihr ganzes Leben lang liebt Felicité einen grünen Papagei, erst als lebendiges Tier, später ausgestopft, und je älter sie wird, um so mehr überträgt sie ihre Verehrung der Mutter Gottes auf den ausgestopften grünen Vogel, und als sie am Ende stirbt, sieht sie einen riesigen grüne Papagei mit ausgebreiteten Flügeln, der ihre Seele aufzunehmen scheint, und das tieftraurige daran ist, das diese Illusion sie tröstet.

 

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