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das universum (eine bibliothek)

Weil es so viel ums Sterben ging diese Woche ein Buch über den Tod:
Ein sanfter Tod von Simone de Beauvoir,
ein schmales autobiographisches Buch, in dem Simone de Beauvoir den Tod ihrer Mutter protokolliert, die auch sehr alt geworden ist, und deren Tod ihrer Familie trotzdem nicht leicht gefallen ist. "Ein sanfter Tod" attestierten ihr die Ärzte, daher der Titel, aber es geht in dem Buch vor allem um all die Konflikte der Tochter, ihrer Mutter das Todesurteil der tödlichen Krankheit vorzuenthalten, ihre Schmerzen zu dämpfen oder so lange wie möglich am Leben zu erhalten, und um die Hoffnungslosigkeit angesichts der Tatsache, dass für Simone de Beauvoir mit dem Tod alles vorbei ist. Also ein trauriges und hartes Buch, aber auch sehr lehrreich, gerade wenn man selber einen Glauben hat, der Trost spendet.

Endlich wieder Bücher gekauft! In letzter Zeit hatte ich irgendwie andere Sachen im Kopf. Ein Buch davon bzw.einen Autor stelle ich diese Woche vor, und das schöne für alle Nicht-Leser ist: es ist ein Bildband.
Verschlungene Pfade von Bruce Chatwin.
Bruce Chatwin ist erst sehr spät in seinem Leben Schriftsteller geworden (und dann ist er auch noch kurz danach gestorben, an Aids, aber er hat versucht, den Leuten irgendwelche Geschichten aufzubinden, zum Beispiel von einer Fledermaus, die ihn in einer Höhle in Indonesien gebissen und mit was Tropischem angesteckt habe), vorher und überhaupt ist er vor allem herumgereist, und dabei hat er nicht nur Notizen gemacht, sondern auch fotografiert. In dem Bildband werden die schönsten Fotos (von Nomaden in Afrika, Moscheen im Iran, aber vor allem immer wieder Wüsten) durch kleine Texte aus seinen Büchern ergänzt. Ein anderes schönes Buch von ihm, das ich aus diesem Anlaß bei mir wiedergefunden habe, heißt "In Patagonien", und es ist bemerkenswert wie viele traurige Geschichten und Bilder Chatwin in einer so menschenleeren Landschaft finden kann.
(Gruß an Jasper: in dem Buch stand auch, dass Bruce Chatwin Jules Verne nicht mochte. Er meinte, die Wirklichkeit ist spannend und bilderreich genug, warum soll man sich Sachen ausdenken?
Ich mochte Jules Verne früher trotzdem, es ist nur schon so lange her, dass ich was von ihm gelesen habe, dass ich mich nur noch daran erinnern kann, dass in einem Buch Leute auf einem mechanischen Elefanten durch Indien reisen, das fand ich ziemlich cool.)

Jasper schreibt in seinem Weblog was über seine neuen Bücher, und das erinnert mich daran, dass ich ja eigentlich eine eigene Rubrik habe, um Bücher vorzustellen - die Gelegenheit, mal wieder damit anzufangen.
Heute:
Der Ohrenzeuge von Elias Canetti,
einer der wenigen deutschsprachigen Schriftsteller, die den Nobelpreis bekommen haben, trotzdem eher einer der unbekannten Autoren. Vielleicht liegt das daran, dass er nie irgendwo richtig zuhause war, er wurde als Sohn spanischsprachiger Juden in Rustuk, in Bulgarien, geboren, wuchs aber in Manchester, Frankfurt, Zürich und Wien auf, wo er als junger Mann in die intellektuelle Szene der zwanziger Jahre integriert war, in den dreißiger jahren emigierte er wieder nach England, gestorben ist er in der Schweiz.
Canetti ist ein ziemlich eitler Schriftsteller, das merkt man vor allem in seiner Autobiographie, deswegen stelle ich die hier auch nicht vor, obwohl die auch lesenswert ist. Er schrieb aber auch sehr scharfzüngig (vielleicht hängt das eine mit dem anderen zusammen), und das merkt man vor allem in dem schmalen Buch "der Ohrenzeuge", in dem er in sehr kurzen Kapiteln Menschentypen beschreibt, die eigentlich ziemlich fantastisch klingen (was ist ein OHRENzeuge, zum Beispiel?, aber je mehr Typen man sich erliest, um so mehr hat man das Gefühl, von solchen Menschen selbst umgeben zu sein.

ein buchtipp für alle die jetzt mit in paris waren, oder schon immer mal hin wollten, oder sich vor jahren da verlobt haben:
"der Bauch von paris" von Emile Zola ,
ein buch über ein paris, das es nicht mehr gibt, über die alten Markthallen in der Nähe des heutigen Centre Pompidou.
Heute steht an deren Stelle ein modernes unbeliebtes Einkaufszentrum, Afrikaner sprechen Vorbeilaufende an und versuchen Drogen zu verkaufen, Obdachlose schlafen auf den Parkbänken,
aber bis in die Sechziger Jahre (mein Opa kann sich noch daran erinnern) waren die markthallen das Herz der Stadt, ihr Bauch vielmehr, und das Buch von Zola hat vielmehr noch als die Menschen, die dort arbeiten, die Atmosphäre der riesigen Hallen zum thema, auf die Paris im neunzehnten Jahrhundert, als Zola den roman schrieb und die Hallen noch ganz neu waren, sehr stolz war und in denen vor der einführung der supermarktkultur die lebensmittel für die ganze stadt umgeschlagen wurden.

Mittwoch nachmittags besuche ich meistens einen alten Herrn, der aus der Ukraine kommt. Unter anderem. Vor dem ERSTEN Weltkrieg was sein Vater kaiserlicher Kutscher in Odessa, damals eine reiche berühmte Metropole am Schwarzen Meer, aufgewachsen ist er in Galizien, einer Gegend, die im letzten Jahrhundert ständig ihre Besitzer gewechselt hat, Österreicher, Polen, Russen, Deutsche, die Rote Armee, Ukrainer.
Der alte Mann wurde 1920 geboren, im selben Jahr hat der Schriftsteller Isaak Babel die Rote Armee auf einem Feldzug gegen Polen durch Galizien begleitet, dabei Tagebuch geführt, und später eine Geschichtensammlung daraus gemacht. Beides kann man heute nachlesen, das Kriegstagebuch und die Geschichten in "Die Reiterarmee", und dabei erleben, wie Babel zwar von dem Kommunismus überzeugt ist, aber trotzdem an der Gewalt und Ungerechtigkeit des Krieges verzweifelt. Ende der Dreißiger Jahre ist er unter Stalin verschleppt und ermordet worden, seine Familie war ins Exil gegangen, aber er war in der Sowjetunion geblieben, weil er gehofft hatte, die russische Gesellschaft zu verändern.

Wenn die Bäume wieder grün werden (die kahlen Bäume sind das schlimmste am Winter, finde ich), dann muß ich jedes Jahr an ein Buch von Italo Calvino denken:
"Der Baron auf den Bäumen"
weil ich dann Lust hätte, es dem Baron in diesem Buch nachzumachen, der sich als Kind plötzlich dazu entschließt, nur noch auf Bäumen zu leben. Das entsetzt natürlich seine Familie, aber im Laufe der Jahre gewöhnt sie sich daran, und am Ende findet man, dass eigentlich der Baron das richtige Leben gelebt hat.

heute etwas für Daniel, und etwas übers Radio:
Doktor Murkes gesammeltes Schweigen,
eine Satire von Heinrich Böll.
eigentlich eine SatirenSAMMLUNG, aber ich kann mich sonst nur noch an die Weihnachtsgeschichte erinnern, in der eine alte Oma ihre Familie terrorisiert, wenn nicht täglich Christbaumbescherung ist (aber zum Glück wird sie immer seniler und merkt nicht, das ihre Familie Schauspieler angestellt hat für ihre tägliche Weihnachtsfeier).
In Doktor Murkes gesammeltes Schweigen jedenfalls geht es ums Radio, um jemanden, der Sendungen zusammenschneidet und die Redepausen, das Schweigen also, sammelt, und plötzlich wird ihm das gesammelte Schweigen richtig nützlich.

vor ein paar Jahren habe ich die Großmutter von einem Freund im Süden Polens besucht. Sie wohnte ganz alleine in einem Haus auf dem Land, und es lag gerade ziemlich viel Schnee. Das Haus mußte sie selber heizen, das Wasser wurde mit einer Pumpe geschöpft, die so laut war wie ein Flugzeugmotor (in einer Nacht hatte jemand vergessen, einen Wasserhahn richtig zuzudrehen und jede halbe stunde fing die Pumpe an zu dröhnen) und wenn sie in die nächste Stadt wollte, mußte sie zu Fuß einen ziemlich langen Weg zurücklegen, um zu der Straße zu kommen, an der manchmal ein Bus abfährt. Ein haus weiter wohnte eine ihrer Nichten, mit ihrem Mann, der arbeitslos war und meistens zuviel getrunken hatte und die Leute erzählten sich gerne Geistergeschichten.
Um fast dieselben Menschen geht es in diesem schmalen schönen Buch:
Galizische Geschichte von Andrej Stasiuk,
der auch aus dem Süden Polens kommt und das eintönige triste Leben auf dem endlosen Land beschreibt, den Kampf der Menschen um ein bißchen Erfüllung und die kleinen Katastrophen, zu denen des manchmal führt.

hab diese woche noch gar kein buch vorgestellt, aber was ich in dieser rubrik schreibe, wird ja sowieso nie kommentiert, interessiert sich jemand noch für bücher? oder hat jemand wünsche und sucht was ganz bestimmtes?
Werd heute mal was kurzes vorstellen:
"Fiktionen" von Jorge Luis Borges,
ein Sammelband mit Kurzgeschichten, nach einer ist diese Rubrik benannt. Borges hat zwar Romane gerne gelesen, aber nie geschrieben, das war ihm wohl zu anstrengend (und er hätte weniger Zeit zum lesen gehabt), dafür Geschichten, in denen soviel drin steckt, wie sonst in zehn Romanen. Oder Geschichten ÜBER Romane, oder über wissenschaftliche Werke, die er zwar nicht geschrieben, aber immerhin erfunden hat. Oder die Geschichte von dem Mann, der das absolute Gedächtnis hatte. Manchmal sogar Kriminalgeschichten.
Borges war von Beruf Bibliothekar in Buenos Aires. Den größeren Teil seines Lebens war er blind. Für einen leidenschaftlichen Leser die Höchststrafe (wie für Beethoven die Taubheit). Borges hat sich seine Bücher vorlesen lassen.

Buchtip der Woche, weil meine Woche ziemlich stressig war:
"die entdeckung der langsamkeit", Stan Nadolny,
über den Polarforscher John Franklin, der zwar immer etwas langsamer reagiert und denkt als alle anderen, aber trotzdem die besseren Ideen viel erfolgreicher umsetzt. Leicht zu lesen!
Nach diesem Buch versucht man wochenlang alles GANZ LANGSAM zu machen, und deswegen ein gutes Mittel, wenn es soviel zu tun gibt, daß man meint alles so schnell wie möglich erledigen zu müssen.
Ein Anti-Streß-Buch. Manchmal denke ich, ich müßte mal wieder drin lesen.

 

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