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das foyer der universitätsbibliothek in münster ist so öde wie der eingangsbereich einer bibliothek nur sein kann, man schämt sich fast von einem foyer zu sprechen, eigentlich fühlt man sich eher wie in einem schwimmbad, eine niedrige decke, schäbige kieselsteine an den wänden (wie nennt man so einen wandbelag?), drehkreuze und knallorange schließfächer, die meistens alle besetzt sind, einmal mußte ich nur dringend was erledigen, alle schließfächer waren wieder mal besetzt, und ich hatte sowieso das nötige zwei-euro-stück nicht mit, und weil es schnell gehen mußte, habe ich (das machen eigentlich viele so) meine winterjacke auf der fensterbank liegengelassen, und als ich wiederkam, war sie verschwunden, zusammen mit meinem schlüsselbund, den ich natürlich in der jacke vergessen hatte, und es war anfang dezember und draußen unglaublich kalt, heute dagegen kam ich ins foyer und dachte sofort an frühling, erst dachte ich, dass läge am sonnenschein draußen, und den blühenden obstbäumen, aber dann merkte ich, dass irgendwo vögel zwitscherten, und tatsächlich hatte jemand seine wellensittiche in die bibliothek mitgenommen, und die saßen jetzt zu dritt in einem winzigen Käfig, der in eine aktentasche paßte, und der bibliothekar an der ausleihe mußte auf sie aufpassen, der war allerdings gar nicht so glücklich darüber, ich meine,i ch hab zuhause ja auch wellensittiche, meinte er, aber die sind in einer voliere, und können rumfliegen, und dieser typ hier klemmt seine vögel einfach in diesen winzigen käfig und die können sich nicht mal bewegen, ist doch unmöglich.

der bunte vogel in der salzstraße gehört eigentlich zu den kneipen mit einem etwas schlechten ruf, man denkt, dort träfe man nur bwl-studenten späteren semesters, oder altgewordene motorradrocker, und als wir gestern abend zufällig dort landeten, saß neben uns tatsächlich ein sehr aufgedrehter frauenstammtisch mit dem durchschnittsalter zweiundvierzig, aber ich finde, ein paar nette seiten hat der bunte vogel trotzdem, zum beispiel mag ich tukane, und hier hängen überall diese knallbunten popart-vögel, und es gibt immer ein bier der woche, gestern: maisel´s dampfbier, bernsteinfarben, meinte die bedienung, und später kam ein noch-junggeselle in einem hasenkostüm, der in einer kiste steckte, die mit schlagertiteln behängt war, für ein kleines entgelt konnten wir uns einen aussuchen und durften dann seine version von verlieben - verloren, vergessen verzeihen genießen,
und auch etwas neues gibt es jetzt in münsters nachtleben, in dieser stadt ist ja so unglaublich viel los, und vielleicht hilft das ja bei der bewerbung um die kulturhauptstadt: nämlich einen neuen spielplatz an der engelenschanze, mit laufrolle, und - das ist der clou - einem trampolin, in den boden eingelassen, das macht richtig spaß

in den Baumbergen am longinusturm sind wir früher manchmal schlitten gefahren, der longinusturm steht auf der höchsten stelle der baumberge, das sind ungefähr hundertsiebzig meter, und wenn man auf den turm steigt, sieht man ganz im osten die türme von münster, die bettentürme der unikliniken, und ziemlich viele kirchtürme, die auch sonst überall aus dem münsterland ragen, und direkt neben dem longinusturm, einem kleinen aussichtsturm, der keinen zweck zu haben scheint als aussicht zu spenden und platz für ein kleines cafe zu lassen, ein hoher, schlanker funkturm, und ein paar windräder, die es in meiner kindheit aber noch nicht gab, vom longinusturm aus haben wir den immer selben spaziergang gemacht, im winter mit schlitten, erst den berg abwärts durch den buchenwald, dann durch ein kleines tal, in dem ein paar bauernhöfe lagen, und zurück entlang an den weizenfeldern, vor gar nicht langer zeit haben wir den selben gang mal nachts gemacht, mit einer petroleumlampe, und mit freunden aus bayern, die vor ein paar jahren nach havixbeck am fuße der baumberge gezogen sind, coesfeld falsch ausgesprochen haben und erst nach ein paar wochen sehr enttäuscht feststellten, was mit baumberge gemeint war,
diese woche war im reiseteil der ZEIT ein artikel über die baumberge und da stand eine interessante theorie:
"vor millionen von jahren soll das münsterland nämlich ein see voller seeigel gewesen sein, der seltsamerweise in spanien lag. dann schob der teufel an den kontinenten herum und verfrachtete das stück spanien nach westfalen, beweis: man findet auf äckern in coesfeld (kohsfeld! nicht zösfeld, wie durchreisende bayern sagen) versteinerte seeigel an masse",
und dann stand da noch was diffamierendes:
"man steuert dörfer an, deren namen man kaum ohne kichern aussprechen kann: billerbeck, havixbeck; nottuln gar (sprich: noddln oder nddln)"
kann einer das nachvollziehen?

an der wolbeckerstraße liegt ein wohnhaus direkt über einer sparkassenfiliale, in dem haus wohnen ganz unterschiedliche leute, ein paar studenten in wohngemeinschaften, eine ältere dame, die jeden morgen brötchen und die zeitung holen geht, eine junge alleinstehende kroatische frau mit einem winzig kleinen verschreckten hund, der sich nur hinter der verschlossenen tür traut die putzkraft im hausflur (das bin ich) anzuknurren, seine Besitzerin ist meistens grell geschminkt und trägt das haar sehr hochgesteckt und einen minirock im leopardenfellmuster, und sie stellt immer sehr viele blumentöpfe in den hausflur, ausserdem wohnt an einem laubengang, der zu dem haus gehört ein fahrlehrer, der sich für das haus zuständig fühlt, ständig reparaturarbeiten anmahnt und irgendwo im haus auftaucht, und weil er sich für das haus zuständig fühlt, stört ihn der kleine hund der kroatischen frau, der macht ständig in die ecken, meint er, und das ganze haus stinkt danach, und ausserdem stören ihn die vielen blumentöpfe, wie soll denn hier anständig geputzt werden, wenn überall was rumsteht, und jetzt ist die frau mit dem hund etwas beleidigt und räumt jeden freitag alle ihre blumentöpfe in die wohnung, wenn sie hört, dass die putzkraft kommt, und ihr hund fängt jedesmal verschreckt an zu quieken, wenn er den fahrlehrer sieht

an der ecke warendorferstraße dodostraße sind gestern freunde von mir in eine wohnung gezogen, deren vermieterin aussieht wie heidi kabel und im bademantel durchs haus läuft, wenn es probleme mit wasserleitungen gibt und sie den klempner rufen muss, den sie anscheinend schon seit ewigkeiten kennt, denn sie duzt ihn, an dieser straßenecke gibt es mindestens vier bäckereien, eine stadtbäckerei, ein französisches café, ein laden mit brot von gestern, einen öko- und einen selbstbedienungsbäcker, mit dem französischen café sind das schon fünf, und als wir angefangen haben, den umzugswagen auszuladen, noch vergleichsweise früh am morgen, saßen schon einige ältere leute im café der stadtbäckerei, jeder für sich alleine an einem tisch, zeitung lesend und auf ihre bestellung wartend, später, als wir mit der zweiten fuhre kamen, waren auch junge leute da und frühstückten, oder elternteile mit ihren fast erwachsenen kindern, und manche leute haben uns sogar freundlich angelächelt, fast als wär das eine straßenecke ganz woanders, und als der umzug um war und die wohnung schon ganz wohnlich aussah, meinte vivi: ich fühle mich ein bißchen wie im urlaub.

im aquarium des allwetterzoos hat die virtualisierung des lebens voll zugeschlagen, das fiktive frisst sich langsam in die realität, zum beispiel gab es früher dort aquarien mit orangen ringelfischen, blauen oder gelben koffer- oder schwarzweißgestreiften fledermausfischen, eigentlich gibt es die auch heute noch, aber jetzt hängen außerdem disneyfiguren aus pappe an der decke und die kinder wundern sich, dass der blaue kofferfisch gar nicht die stimme von anke engelke hat, dafür sind sie glücklich, wenn sie den fisch mit der blubber-neurose finden, oder den chef-fisch, der die ausbruchversuche geplant hat, und sogar kinder, die zu klein sind, um wirklich sprechen zu können, steigen auf die stühle und kreischen nemo nemo nemo (der große tümmler im delphinarium heißt trotzdem schon seit sechzehn jahren so)

im bürgerfunkstudio der volkshochschule war gestern radio für kinder zu gast, und eines der kinder muss irgendwie geburtstag gehabt haben, jedenfalls waren überall luftschlangen verteilt worden, der tisch, an dem man nervös wartend seine manuskripte ausbreitet, war klebrig, weil irgendein kind ein glas cola verschüttet hatte, und sogar im aufnahmeraum mit dem roten lämpchen lagen rosa-türkise handkettchen mit brausetabletten unter dem tischchen, die leiterin des studio wirkt jetzt etwas erschöpft, aber spaß hat sie trotzdem gehabt, während sie schnell noch an der sendung des bulgarisch-deutschen kuturvereins herumschnippelt und ihrer praktikanten das computerprogramm erklärt

im institut für kleinasienforschung in münster wird man, wenn man zu der sprechstunde eines professors will, freundlich in die küche gebeten, und darf dann mit ein paar anderen studenten in einer rustikalen hölzernen sitzecke warten, aber das macht man gerne, weil man froh ist, dass der professor wenigstens grad nicht auf irgendeiner türkischen ausgrabungsstätte arbeitet, von der überall poster an den wänden hängen, eine studentin hat ihr kleines kind mitgebracht, es ist völlig verschreckt und wagt fast nichts zu sagen, schließlich widmet es sich einem ritterbuch, wie immer gibt es meinungsverschiedenheiten, wer zuerst in die sprechstunde darf, wer am längsten wartet oder wer sich als erster auf der warteliste angemeldet hat, ständig klingelt ein telefon mit einem verdi-fanfaren-ton, und als der professor endlich kommt, ist ihm die küche viel zu voll, und am liebsten wäre ihm, alle würden gleich nach hause gehen.

im atocha-bahnhof in madrid gibt es eine riesige, ehemalige Abfertigungshalle, in der jetzt keine züge mehr abfahren, sondern die zu einem palmengarten umgestaltet wurde, langsam wachsen die spitzen der palmwedel der riesigen gläsernen rundung des bahnhofsdachs entgegen, vor ein bißchen mehr als anderthalb jahren sind wir morgens an diesem bahnhof angekommen, ziemlich übernächtigt und völlig ausgehungert, weil wir vierundzwanzig stunden vorher in porto losgefahren waren, unterwegs in diversen nacht- und bummelzügen, neun stunden mussten wir an der grenze zu spanien auf den anschlußzug warten, und trotzdem mussten wir erstmal mit unseren schweren sperrigen rucksäcken eine unterkunft suchen, bevor uns endlich ein riesen menü bei dem macdonald direkt gegenüber vom atocha-bahnhof das leben gerettet hat, später hat uns am selben bahnhof ein netter madrilene vor den mädchen gewarnt, die vorgeben nach dem weg zu fragen, einen stadtplan vor den bauch klemmen und dann die hoschentaschen ausräumen, und noch später hat uns niemand vor dem bistrokellner gewarnt, wir hatten auf dem bürgersteig direkt vor dem bahnhof gegessen, der uns völlig über den tisch ziehen wollte, zum glück war clemens mit, der läßt sich nicht über den tisch ziehen, von dort sind er nur ein paar schritte zum prado, und den vielen bildern vom jüngsten gericht,
heute sieht man den bahnhof seit stunden auf den no-comment bildern bei euronews, hubschrauber kreisen über dem gebäude, neongelb leuchtende sanitäter schieben verletzte in krankenwagen, blutüberströmte, fassungslose gesichter lehnen an laternenpfählen und versuchen übers handy ihre angehörige zu informieren und bis jetzt weiß niemand so richtig, wer dafür verantwortlich ist, ein bißchen hat man den schrecklichen eindruck, bombenanschläge gehören heute einfach zum zeitgeist

im scott´s view an der sonnenstraße steht mr.john hinter der theke und betreut schottisches ale und mindestens achtzig whisky sorten, an den wänden hängen alte stiche von edinburgh oder den melrose hills, es gibt eine dartscheibe, ein altes klavier und eine bücherecke mit büchern über schottland, angeln und whiskydestillerien, aber die größte attraktion ist trotzdem die große leinwand, auf der championsleague-spiele im pay-tv übertragen werden, dann sind dienstag und mittwoch abend ab halb neun keine sitzplätze mehr zu haben, und wenn man länger als ungefähr drei sekunden im türrahmen steht und die sicht auf die leinwand versperrt, droht john mit einem rauswurf, am aufregensten sind die partien, in denen deutsche vereine gegen celtic glasgow oder gegen die rangers spielen, dann ist die bude voll mit echten schotten, die vereinsfarben tragen, und blauweiße schals (wenn es rangers-fans sind) oder grünweiße (dann sind sie für celtic), ich weiß nie, welcher verein der katholische und welcher der protestantische ist, wie auch immer, inzwischen sind beide aus der championleagus geflogen, und die beiden deutschen mannschaften fliegen auch gerade raus, also wird es diesen sommer wohl so richtig spannend im scott´s view nicht mehr werden.

 

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