orte
vor hubertis hof, einer gaststätte in einem viertel münsters, dass man früher klein muffi nannte, weil viele hafenarbeiter dort lebten, und in dem sogar eine eigene sprache gesprochen wurde, masematte, eine mischung aus platt, jiddisch und rotwelsch, liegt ein bolzplatz, im schatten uralter baumriesen, auf dem gestern ein schützenfest stattfand, schon früh am morgen überquerte eine marschkapelle mit fahnenschwenkern die wolbeckerstrasse, sogar ein pferdegespann war dabei und hielt vor einem haus in einer seitenstrasse, vielleicht um den schützenkönig abzuholen, ein uniformierter junger mann jedenfalls wartete an der wolbecker straße, um notfalls den verkehr zu stoppen und hatte eine fahne in der einen und eine bierpulle in der anderen hand, später habe ich kurz fred besucht, der direkt an dem bolzplatz wohnt und schützenfeste verabscheut, ist ja nicht nur, dass die soviel trinken, schon morgens, meinte er, die blaskapelle spielte gerade new york new york, die haben das alles auch noch bis ins kleinste geregelt, das kannste dir ja gar nicht vorstellen, um sechs fangen die an, und wennde zu spät kommst, kriegste gleich was auf die mütze, und wenn du schützenkönig wirst, mußte bis zu zwanzigtausend euro latzen, also das mußte dir gut überlegen, ob du dazu lust hast, eine lautsprecherdurchsage dröhnte jetzt über den platz, eine nachricht: die bratwürste sind jetzt fertig
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an heidelberg schätzt meine mutter, dass rund um die schmale, lange fußgängerzone viele kleine leicht zugängliche parkhäuser liegen, so dass man selbst mit orientierungsschwierigkeiten schnell ein platz für sein auto und den weg in die stadt findet, die abgesehen von der schmalen langen fußgängerzone auch nur noch aus einer brücke und einem schloß besteht, in der fußgängerzone begegnet man vor allem sehr vielen japanischen busgruppen und amerikanischen turnschuhtouristen, auch ein paar wenigen alternativen greenpeaceanhängern, die vielleicht sogar in der stadt wohnen und manchmal am straßenrand singen, außerdem schulkindern, auf dem weg zur bushaltestelle, postkarten gibt es nicht nur von schloß und brücke, auch von schwulen bayrischen königen, die mit heidelberg sonst nichts weiter zu tun hatten, aber touristenfreundlich schlösser an den alpenrand gebaut haben, die gibt es auch als bildschirmschoner oder mousepad, wir sitzen später im fenster eines lokals, mein bruder wollte was deutsches deftiges essen, also schweinshaxe, ein riesiger knochen bleibt übrig, und später guckt jemand durchs fenster und fragt, ob von dem essen nicht noch was übrig ist, wir geben ihm ein paar brote, aber weil ihn das nicht ganz zufriedenstellt, nimmt er sich den schweinshaxenknochen und veschwindet damit in den touristenschwärmen auf dem weg zum weltrekordweinfassschlossgewölbe
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in coerde gibt es mehrere ungefähr zwölfstöckige hochhäuser in der königsberger strasse, die früher versucht haben, einen etwas höheren lebenstil zu ermöglichen, aber heute zusehends verwahrlosen, gestern sollte ich jemandem helfen, ein paar umzugskartons in den keller zu bringen, damit in seiner wohnung etwas mehr platz ist, und wir versuchten mit dem aufzug in den keller zu fahren, vom erdgeschoss aus fuhr der aufzug aber wieder nach ober, wir versuchten es nochmal, im erdgeschoss wurden wartende nachbarn schon etwas ungeduldig, aber wir fuhren wieder zurück nach oben, kann es sein, meinte ich, das man einen schlüssel braucht, um in den keller zu fahren? nö, nich das ich wüßte, aber dann kam ein junges sportliches mädchen in den aufzug und fragte: hey was fährste denn immer hoch und runter, ach, du willst in den keller, weißte nich das du da einen schlüssel für brauchst, und so sind wir dann doch noch in den keller gekommen, mein umzugskartonbesitzer hatte aber plötzlich keine ahnung mehr, wo sein keller war, und irrte in den endlosen dunklen kellern umher, plötzlich blieb er vor einer kaputten tür stehen, oh man, meinte er, haben die meinen keller aufgebrochen, und er öffnete vorsichtig die tür, ne, sind ja gar nicht meine sachen, plötzlich hatte er die idee, mit seinem schlüssel die nächste tür zu öffnen, war aber auch nicht sein keller, der nächste raum auch nicht, auch nicht der übernächste, sag mal, du kannst doch nicht einfach alle kellertüren aufschliessen, wenn das gar nicht deine räume sind? fragte ich vorsichtig, siehtste doch, das ich das kann, ich hab n`Dietrich, schließlich hatte er alle türen geöffnet bis auf nummer 37, irgendwie hatte ich dunkel in erinnerung, das er irgendwas von nummer 37 gesagt hatte, aber er meinte, lass uns mal lieber den hausmeister fragen, der war zum glück gerade im erdgeschoss und unterhielt sich mit einer nachbarin über einen verwahrlosten mieter aus ostdeutschland, zweiundzwanzig jahre alt, ohne eltern aufgewachsen, hat noch nie gearbeitet, den müßte er wohlauf die straße setzen, er wußte aber immerhin die richtige kellernummer, es war die nummer 37, der einzige kellerraum, den wir noch nicht betreten hatten, wenn man in den hochäusern eine wohnung in den oberen stockwerken hat, dann kann man übrigens über die ganze stadt sehen.
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im preussenstadion an der hammerstrasse haben sich in besseren zeiten manchmal über zwanzigtausend menschen zweitligaspiele gegen schalke 04 angesehen, da kann sogar ich mich noch dran erinnern, und samstagnachmittag war alles ein bisschen wie früher, volles haus, wir mußten uns auf eine begrenzungsstange stellen und an einem fahnenmast festhalten, um was sehen zu können, unglaublich trostlose typen, die obszöne lieder singen, oder - fast noch schlimmer - "draussen steht ne companie / mit hunderttausend mann", wir sehen ein mädchen, das wir noch von früher kennen, sie ist hochschwanger, aber im überfüllten fußballstadion, und sie raucht, das spiel ist spannend, weil bis zur letzten minute wattenscheid kein tor schiessen darf, und irgendwie steigt preußen münster wieder mal nicht in die vierte liga ab, vielleicht lag es diesmal an dem öko-fan, der mit seinen rasta-freunden zum spiel gekommen ist, und seine mannschaft mit hölzernen klangstäben angefeuert hat, er scheint sie von seinem letzten indien-aufenthalt mitgebracht zu haben, jedenfalls: es hat geholfen.
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in marburg kann man mit dem aufzug in die oberstadt mit fachwerkhäusern, rathaus, schloß etc fahren, oder man läuft zu fuß, zum beispiel vorbei an der elisabethkirche, in deren gotischem chor eine jazz-gruppe probt, und an der apotheke, in deren schaufenster früher der "scheiss [entschuldigung] des monats" ausgestellt war, erzählte man mir, weil der apotheke die pharma-konzerne nicht ausstehen konnte, in der altstadt steht in einer studentenkneipe eine karl-marx-büste über der tür, mit weißer farbe bekleckert, und an einem vergammelten roten tor hat jemand seinen willen hinterlassen BITTE NICHT RENOVIEREN, wie in allen universitätsstädten gehören die schönsten fachwerkhäuser burschenschaften, die ihre giebel mit fantasie-flaggen schmücken und traditionen suggerieren, und dann gibt es noch das café vetter, in dem man auf etwas verschlissenen pseudo-barock-sesseln sitzt, oder wenn man glück hat auf einem richtigen sofa, an einer theke kann man sich eine torte aussuchen, bekommt eine nummer, und wartet dann, bis die bedienung die torte bringt, neben uns hat sich ein schwules päarchen mit zwei lesben getroffen und warum auch immer, aber die vier planen einen gemeinsamen urlaub.
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an einer straßenecke in der nähe des invalidendom in paris klammert sich eine alte frau an eine straßenlaterne, sie trägt einen schwarzen hut und eine lockige perücke, einen sehr gelben rock und eine knallrote jacke, das deftige make-up macht ihr gesicht noch älter und wird zu einer maske, mit einer hand an der laterne schwankt sie über den bürgersteig und guckt abwechselnd in eine der beiden straßen die sich hier treffen, viele leute laufen vorbei, aber keiner sieht sie, ein paar häuser weiter werden in einem kleinen bistro belegte baguettes geröstet und von einer freundlichen bedienung mit amelie-lächeln an den tisch gebracht, am tresen sitzt eine ältere etwas angetrunkene dame mit grauem kurzhaarschnitt und grinst sogar deutsche touristen an, ein paar jugendliche sitzen an einem tisch, machen ihre hausaufgaben und halten zigaretten in ihren händen, die nicht angezündet sind, an den wänden hängen plakate aus den zwanzigern, die für ferien auf korsika werben und zum nachtisch gibt es schokoladenkuchen und tarte des pommes noires.
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am flughafen in frankfurt wird man in den keller geschickt, wenn man auf jemanden wartet, den man abholen will, dann steht man zwischen den ständen verschiedener autovermieter und einer verspiegelten wand, in der sich alle paar minuten schiebetüren öffnen, durch die erschöpfte passagiere stolpern, die sich etwas irritiert umblicken, weil so viele leute hinter der absperrung stehen und warten, eine dame mit ihren zwei kleinen hündchen hat probleme, ihre tiere unter kontrolle zu behalten, ein mann in den vierzigern hat dasselbe problem mit seinen beiden kleinen söhnen, die zwar jeder eine rose in der hand halten, sich aber trotzdem ständig zu prügeln beginnen, eine afrikanerin mit sehr viel gepäck sucht anscheinend ihren anschlußflug, aber sie versteht mich weder auf deutsch noch englisch noch französisch, nach einer halben stunde warten kommen die ersten reisenden mit amerikanischem akzent, eine mutter mit ihrer kleinen tochter, sie versucht ständig wegzulaufen und die kleinen hunde zu küssen, schließlich verschwinden die beiden, und jedes mal wenn sich die schiebetür wieder öffnet und wieder niemand kommt, den man kennt, hat man trotzdem einen kleinen herzinfarkt bekommen.
am aasee ist in einem flachdachpavillon das byzantinische seminar untergebracht, mit ein paar büros, einer bibliothek, einem foyer, vollgestellt mit üppig wachsenden papyrus pflanzen, dahinter eine fesnterwand mit blick auf den see, und die wände behängt mit karten zur geschichte des byzantinischen reiches, wenn ich dort ein buch für meine professorin ausleihe, habe ich das gefühl, seit wochen der einzige besucher zu sein, manchmal erscheint ein völlig verschreckter bibliotheker, der sich lange konzentrieren muß, um sich daran zu erinnern, wie das mit der ausleihe funktioniert, und wo die leihzettel sich noch mal befinden, manchmal arbeitet dort aber auch eine hilfskraft, die die bestände der bibliothek einzeln in den computer eingegeben hat, jedes einzelne buch zu kennen scheint und immer dabei ist, irgendetwas zu übersetzen, und manchmal unterhält er sich mit anderen leuten im institut auf altgriechisch.
werdohl liegt mitten im sauerland und man erreicht es von der autobahn über eine bundesstraße, die auf höhenzügen entlangläuft, man sieht bergketten bis zum horizont, einen rosa sonnenuntergang, fast ein bißchen kitschig, und in einer talschlucht liegt plötzlich fast so was wie eine richtige stadt, das ist werdohl, mit bahnhof, einer nachts beleuchteten stadtpfarrkirche, laternenreihen, die sich an einem flußufer enlangziehen, häßlichen neubauten an den bergketten, und irgendwo über der stadt ein beton-schulzentrum mit veranstaltungszentrum, in dem gestern abend ein sänger, der sonst mit seinem romantic ensemble in altersheimen und krankenhäusern vorspielt, ein benefiz konzert zugunsten der jugend der stadt organisiert hat, zum glück singt er nicht die ganze zeit selber, zu der musik vom band, sondern läßt auch mal eine richtiges jazz quartett spielen, und eine koreanische opernsängerin, und der bürgermeister ist zufrieden, er kann tausend euro für die jugendarbeit spenden.
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in bad krozingen bei freiburg ist es nicht einfach nach zwanzig uhr eine kleinigkeit zu essen zu bekommen, die mehrzahl der besucher und einwohner scheint um diese zeit schon, erschöpft von spaziergängen durch den kurpark oder zum schwarzwaldpanoramablick, seinen wohlverdienten rentnerschlaf zu schlafen, eine tankstelle hat noch auf, aber da gibt es nur noch ein brötchen und wenige schinkenbeisser, die jungs, die dort arbeiten, und ein etwas älterer herr mit blonder perücke, der an dem stehtisch im tankstellenshop ein dosenbier trinkt, schicken uns zu einer dönerbude auf der anderen seite des ortes, wir fahren dort vorbei, aber richtig einladend sieht der city-imbiss nicht aus, kaltes grelles neonröhrenlicht, erstaunlich viele gelangweilte leute, die auf ihre bestellung warten, pappschilder mit den sonderangeboten, und ansonsten und vor allem viele weiße fliesen, wir fahren nach freiburg, um dort was zu essen, als wir zurückkommen, um an der tankstelle noch ein bier zu kaufen, steht die blonde perücke immer noch an ihrem stehtisch, und wir sind froh, dass uns niemand nach unserer meinung zu bad krozingens city-imbiss fragt.