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das us-konsulat in düsseldorf, eigentlich nicht mehr als ein büro, befindet sich im zehnten stockwerk eines der postmodernen hochhäuser hinter dem hauptbahnhof, erreichbar über einen extraaufzug, vor dessen benutzung man gefilzt wird, mitnehmen darf man nur die papiere, die man benötigt, im zehnten stockwerk gibt es noch einmal eine sicherheitskontrolle und begleitpersonen amerikanischer staatspersonen wird empfohlen, wieder nach unten zu fahren und irgendwo einen kaffee zu trinken, man habe es nicht so gerne, wenn leute auf den drei plastiksitzschalen vor der sichheitskontrolle warten, es scheint überhaupt keinen raum mit fenstern oder aussicht zu geben, dafür hat man eine wirklich gute aussicht vom rheinturm, man lehnt sich an die glasscheibe und sieht unter sich das parlament und die stadt düsseldorf, die sich in der milchigen brühe des novembernebels verliert, irgendwie britisch das wetter, vielleicht mit absicht, schließlich kommt heute die queen nach düsseldorf, deswegen wird der platz vor dem landtag auch gerade abgesperrt und ein roter teppich erst ausgerollt, dann eine halbe stunde zurechtzupft und gesaugt, und deswegen weigert die belegschaft des fernsehturms sich zu arbeiten, und klebt lieber an den fensterscheiben, trinkt seelenruhig einen kaffee nach dem anderen und fachsimpelt über das königshaus, schließlich: det liesken kütt, und das passiert nicht alle tage, und tatsächlich: et kütt, ein hubschrauber brummt auf augenhöhe an uns vorbei und dann tauchen an der rheinpromenade die lichtsignale des motorradkonvois auf und schieben sich langsam richtung landtag, die menschen vor dem parlament schwenken ihre britischen flaggen, eine kapelle im kilt spielt marschmusik, der bordeauxrote bentley hält am roten teppich und ein winzigkleines braunes köstum, flankiert von ein paar schwarzen anzügen verschwindet über den teppich in den landtag, schon ist sie weg, bevor man richtig realisert hat: det war dat liesken.

der ort ork existiert: er liegt zwischen götterswickersham und spellum hinter den rheindeichen bei voerde, zwischen einem dorf mit restaurant internationaler küche und bosnischen besitzern, die zwischen ölgemälden jugoslawischer küstenstädte noch die flaggen hundertjähriger schützenvereine und sängerbünde namens "germania" hängen ließen, und einer dorfkirmes mit einem autoscooter, der gerade so auf die dorfstraße paßt, und einem stand zum entenangeln und einem simulator, in dem kinder verschwinden und beim hin- und herschaukeln schreien und kreischen, nach einbruch der dunkelheit kann kann man über die rheindeiche steigen und zum ufer laufen, wo kleine neonblaue köder leuchten und manchmal die zigarette eines anglers, langsam ziehen die großen kohlenlastschiffe vorbei, die signallichter am heck leuchten und am horizont blinken in jeder richtung die roten und grellen lichter der kraftwerke und ab und zu läßt ein hochofen den himmel orange leuchten, zurück hinterm deich läuft man an ein paar bauernhäusern und ruhenden kühen vorbei und man fühlt sich, und dabei leuchten die städte des ruhrgebietes überall am horizont, am ende der welt.

das kleine städtchen werder liegt direkt vor potsdam und nahe an berlin zwischen einer reihe kleiner idylllischen seen, und wo sich diese seen an einer besonders idyllischen stelle treffen hatte ein investor eine besonders idyllische idee: man baue um ein klobiges fontane-denkmal herum eine reihe weißgestrichener, holzbekleideter doppelhaushälften mit südstaatenveranden und blaugedeckten dächern, der eingang zu diesem wohnpark flankiert von zwei kreisrunden gelbverklinkerten wehrtürmen, ein schloß im cinderella-stil als krönung, und direkt am seeufer ein fischrestaurant, benannt nach ernest hemingway und dekoriert mit postkarten seines hauses und seiner bar auf key west sowie alten postkarten aus florida, im sommer können gäste auf der veranda direkt am see sitzen, im oktober verringern sich die sitzmöglichkeiten daher um die hälfte, und wir zum beispiel finden keinen platz, aber so richtig hätten wir in das versnobte west-berliner sonntags-ausflug-publikum auch nicht gepasst, und wir verschwinden aus dem wohnpark, der bewacht wird von einem uniformierten informationsmännchen in einer kleinen holzhütte, der immobilienprospekte verteilt, und essen etwas wesentlich günstigeres in dem italienischen restaurant an der ecke, in welches schon alt gewordene söhne ihre mütter ausführen, die ihrerseits so alt sind, dass sie sich noch nicht richtig an die italienische küche gewöhnt haben und sich weigern pizza zu essen.

der weiße riese in berg fidel ist sicherlich das größte hochhaus münsters, aber ich bin mir gerade nicht ganz sicher, wieviele stockwerke es hat, fünfzehn, sechzehn vielleicht, früher waren die wohnungen dort ziemlich teuer, obwohl man selbst von ganz oben aus nur über andere hochhäuser sehen kann, über das marode preußenstadion und das gewerbegebiet an der siemensstraße, aber inzwischen wohnen immer mehr aussiedler im weißen riesen, viele perser und tamilen zum beispiel, und vor kurzem hatten die bewohner wochenlang ein problem: der fahrstuhl war kaputt und funktionierte nicht, wochenlang nicht, mütter mußten ihren kinderwagen untenstehen lassen und alle kinder und einkäufe bis nach oben tragen und viele alte leute, die nur einmal am tag in der lage waren, den langen auf- bezwiehungsweise abstieg zu bewältigen, mußten ihren tag jeden morgen perfekt planen, nichts durfte oben liegen gelassen werden, an alles mußte gedacht sein, wollte man nicht noch einmal den langen weg nach oben machen, und bevor man zurück nach hause kommen durfte, mußte alles erledigt gewesen sein, alle einkäufe getätigt, alle rezepte abgeholt und alle arztbesuche überstanden sein, war man sich auch wirklich sicher, dann konnte man die treppen in den sechzehnten stockwerk mit der wunderbaren aussicht wieder in angriff nehmen.

den park vom haus sentmaring konnte ich meine ganze kindheit über nur von außen sehen: von der hauptverkehrsstraße aus (mein schulweg) sah man in einen park mit teich und riesigen uralten bäumen, einem schmiedeeisernen ungenutzen eingangstor und einer versteckten bunkertür, damals lebten jesuiten in dem architektonisch wenig interessanten backsteingebäude, irgendwann war dort einmal der älteste jesuit der welt im alter von 108 jahren verstorben (das wurde sogar in er faz erwähnt), irgendwann waren die jesuiten wohl ausgestorben dort und irgendwann wurde das alte gebäude einfach abgerissen, inzwischen werden am eingang des parks neubauten mit appartmentwohnungen gebaut, und hinter einem kleinen fußballplatz mit torwand führt jetzt ein kleiner fußpfad in den park, auch das große schwere tor an der weseler straße ist jetzt (weitgehend unbemerkt) unverschlossen und leicht zu öffnen, und ein paar leute führen ihre hunde in dem park aus, der teich ist ganz vertrocknet (als ob es nicht genug geregnet hätte dieses jahr) und an einem kleinem steg zeugt nur noch eine schlammige pfütze und viele schilfpflanzen von dem gewässer, immer noch ein wenig gepflegt wird aber ein kleiner friedhof für die brüder und pater, dort stehen immer noch ein paar frische blumen auf den gräbern und ich würde gerne wissen, wer für die gräber da noch ab und zu vorbeikommt.

die fußgängerunterführung am hindenburgplatz ist städtebaulich so mißlungen und wurde schon vor dreißig jahren so wenig genutzt, dass joseph beuys einen gipsabdruck eines besonders häßlich ungenutzten winkels unter treppenstufen machte und ihn im landesmuseum während der ersten skulpturausstellung aufstellte, die passage ist nie schöner geworden, abgesehen vom letzten wochenende, als sie für einen schauraum genutzt wurde, und eine rockgruppe in dem tunnel spielte, an den wänden entlang konnte man sich auf sitzbänken ausruhen, die wände selbst waren geschmückt mit großformatigen russischen landschafts- und städtebildern, die akkustik war gut und die gruppe von freitagabend spielte ein spannendes crossover-programm (für dieses wort danke ich michi), es gab bunt eingefärbte brezel, in grün, blau und rot, und an einer bar günstiges bier, und in einem nebenraum, keine ahnung welche funktion er in seiner existenz als unterführungs-nebenraum ausfüllt, wurden am wochenende ein paar bilder ausgestellt.

auf dem miami international airport wäre ich heute beinahe zum vierten mal gewesen, beim erstenmal bin ich nachts gelandet und das flugzeug flug eine große kurve über die stadt, ihr im planquadrat angelegtes lichtermeer tauchte plötzlich wie eine vision aus der stundenlangen dunkelheit des atlantiks auf, während das flugzeug zum landegang ansetzte begannen sich langsam die lichtreklamen der fast-food-ketten, der swimmingpool-laternen in den motelhinterhöfen und die palmwipfel abzuzeichnen, ich mußte in miami nur umsteigen, der wartesaal der fluglinie, die nach nicaragua weiterflog, war schlecht gelüftet und die luft stickig, ein unfreundlicher beamter saß hinter einem holztisch und kontrollierte die pässe, ein bißchen war man schon in lateinamerika, beim zweitenmal bin ich tagsüber gelandet und ein älteres französisches ehepaar versuchte mir hinter den stränden und hochhausketten, die diesmal am horizont erschienen, den ort zu zeigen, an dem sie die wintermonate verbrachten, diesmal wurde ich von einem freundlichen beamten kontrolliert, der meinen Pass laß und meinte:You are from MÜNSTER, isn?t that the city with the churchtower and the cages for the anabaptist kings?, am flughafen hat mich mich jocelyn mit ihrer schwester abgeholt, und ich weiß noch wie ich dachte, so nett hatte ich sie gar nicht in erinnerung, das dritte mal bin ich aus miami weggeflogen, zwei wochen später, plötzlich fuhr das auto mit jocelyn und ihrer mutter schon weg, und irgendwie hatte ich gehofft, sie wenigsten noch kurz mal alleine zu sprechen, heute hätte es fast ein viertes mal gegeben, jetzt werde ich erstmal weiter warten müssen.

wo die promenade die kanalstraße kreuzt steht auf einer wiese ein überlebensgroßes fotoporträt des oberbürgermeisters mit dem wahlspruch "wir in münster", vor zwei tagen stand an derselben stelle noch eine kleine bühne des studentenradio, auf der daniel den marathon moderieren und den manager von preussen münster oder irgendeinen olympiateilnehmer interviewen mußte, ziemlich viele leute waren da, auch wenn sie sich insgesamt mehr für den marathon interessiert haben, der an den kilometerpunkten drei und acht an der bühne vorbeiführte, beim kilometerpunkt acht gab es außerdem eine getränkeausgabe, dutzende junge menschen hielten den läufern becher hin und riefen ununterbrochen WASSER WASSER, ein bißchen klang das so, als würden sie darum betteln, oder das wasser zumindest verkaufen wollen, nachdem viertausend läufer, auch der allerletzte, von einem polizeiwagen eskortierte, die wasserstelle passiert hatten, fand mit dem verbleibenden kostbaren gut eine wasserschlacht statt, am ende, es war schon gegen mittag, spiegelte sich der blendende sonnenschein in den pfützen auf dem asphalt und die straße war übersäat mit roten colabechern wie ein indischer prozessionsweg mit blüten, als wäre ein götterbild vorbeigetragen worden.

am institut für ägyptologie hat sich jetzt schon zum zweiten mal jemand aus meinem freundeskreis zum studium zwar offiziel angemeldet, aber eigentlich mehr angst um das kindergeld gehabt, schade, denn in diesem institut hängt an einer glastür ein plakat mit der maske des tutanchamun, die mit dem spruch tut-es-rein-tun fürs recyclen wirbt, in der bibliothek haben die wenigen ernsthaft lernenden und lehrenden alle ihre eigenen arbeitsplätze, auf denen sich mit sicht auf die baustelle des priesterseminars an der überwasserkirche bücher stapeln, quelleneditionen von papyri-texten, teebeutel, ungespülte tassen, wenn man ein buch sucht, findet man es garantiert zufällig auf einem der professoren-stapel und dort bleibt es damit auf ewig der allgemeinheit verschlossen, auch der kopierer funktioniert nicht immer, aber wenn man sich an ihm erfolglos versucht, ertönt plötzlich vom anderen stimme des flures eine stimme: machta wieda probleme? und aus dem institutschatten schält sich eine höchstens eins-fünfzig große, ältere frau mit kurzhaarschnitt und einem buckel, die schließlich am kopierer ankommt und alles wieder richtig einstellt.

die jugendherberge in konstanz ist erst vor kurzem neu eröffnet worden, vielleicht deswegen übertrieben teuer und das personal trotzdem unfreundlich, abgesehen von den zivis, die beim einarbeiten unter ihren vorgesetzten leiden, zur herberge gehört auch ein ehemaliger wasserturm, von dem aus man über den ganzen bodensee und auf die schweizer alpen sehen kann, in unserem sechsbettzimmer treffen wir einen studenten, der eine wohnung in der gegend sucht, einen älteren südafrikaner und zwei sehr ungleiche radfahrer, die sich ganz krank genervt haben, einer lag völlig fertig auf seinem bett, der andere hat ununterbrochen geredet und - ja, ja, schon richtig - gesagt, oder angefangen, aus einem prospekt zitate berühmter schriftsteller über konstanz vorzulesen (kannste das nich nachher machen, meinte der andere, ich hab kohldampf), oder zu fragen: was willst du dir denn noch ansehen (ne pommesbude, antwortet der andere) oder vorzuschlagen, fahrenheit 9/11 zu sehen: komm, heute siehst du deine erste doku im kino (wenn ich das wort doku schon höre, kommt als antwort), im foyer wartet eine frau mit dicken brillengläsern und schwarzwäldertrachtenrock auf ihren mann, sein brillengestell ist sogar noch größer, ab und zu kontrolliert der herbergsvater, er wirkt ein wenig angetrunken, ob die zivis richtig arbeiten, aber es gibt zum glück auch ein tischfußballspiel, ich verliere zweimal vier zu sechs gegen meinen kleinen bruder.

 

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