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in berlin in der komischen oper gibt es sehr freundliche platzanweiserinnen, die höflich jeden rauslassen, der kurz mal einen anruf erledigen muss, und noch während die oper läuft, wird man wieder hereingelassen, und wenn der anruf erfolglos war, drücken sie sogar ihr bedauern aus, in dem neobarocken zuschauerraum sitzen ältere damen, die missbilligend den kopf schütteln, wenn zuviel geredet wird, und ältere herren, die hübsche junge blondinen ausführen, und franz münterfering, der trotzdem an der garderobe anstehen muss, und von der decke hängt ein nashorn in lebensgrösse, und das publikum in berlin jubelt, wenn alcina als varieté-star auftritt, mit glitzervorhang und kleinem feuerwerk, aber am ende wird die inszenierung ausgebuht, weil sich der vorhang lüftete und alcina in den leeren bühnenboden zwischen den kulissenschiebern verschwand und richtig abendgarderobe trägt im theater heute auch keiner mehr.

wenn man als besserwessi in brandenburg am bahnhof aus dem zug steigt, fühlt man sich ein bißchen verloren, und sehr weit im osten, man sieht graue hausfassaden und kopfsteinpflaster und kleine einzelne straßenbahnwaggons und werbung ist das einzig wirklich bunte, dabei liegt brandenburg eigentlich sehr idyllisch, überall gibt es seen und wälder, der historische kern der stadt, ein stadtteil dom genannt, weil dort ein dom steht, viel älter als berlin, liegt selbst auf einer insel, und man kann auch mit der straßenbahn über viele brücken und durch wälder fahren, zum beispiel auf den görden, dort liegt mitten im wald eine riesige strafvollzugsanstalt, in den zwanziger jahren galt sie als fortschrittlich, im dritten reich wurden hunderte dort hingerichtet, auch viele zeugen jehovas, die den kriegsdienst verweigert hatten, direkt nebenan, auch mitten im wald, eine riesige psychiatrische klinik, all das kann man von brandenburg selbst kaum sehen, aber man sieht der stadt an, dass die bevölkerung seit der wende von fünfundneunzigtausend auf fünfundsiebzigtausend zurückgegangen ist, und das zwanzig (offiziel) bis dreißig (inoffiziel) prozent der menschen hier arbeitslos sind, und dass nach der wende westliche multikonzerne die meisten betriebe der stadt aufgekauft und dann nach kurzer zeit geschlossen haben, nur um die konkurrenz auszuschalten.

Zum Beispiel Berlin-Friedrichshain. In der Simon-Dach-Straße sitze ich in einem verrauchte internet-café, in dem halbwüchsige sich videospiele ausleihen und befehle oder schuldzuweisungen über die computer brüllen, nebenan liegt der yogi-snack, in dem freundliche indische kellner einen milchtee spendieren, von gegenüber kommt mittags die verkäuderin aus dem mittelaltertrashladen, sie trägt eine lange, bis zur hüfte baumelmde narrenkappe, um irgendwas mit curry zu essen, möglichst vegetarisch, direkt daneben die blechbar, aus der mein bruder schon ein paar mal geflogen ist, weil er sich mit dem arroganten kellner angelegt hat, gegenüber eine cocktailbar mit riesigen photoreproduktionen von birkenbaumlaubkronen, vor ein paar tagen ist dort ein päarchen aufgetreten, er konnte nicht singen, sie nicht gitarre spielen, dazwischen fährt alle zehn minuten eine schmale, gelbe straßenbahn, sie klingelt, bevor sie die simon-dach-straße überquert, die taubstumme Schneiderin in dem klamottenladen kann das leider nicht hören, aber ihr kleiner braunweiß gescheckter hund, der hinter der ladentür lautlos wache hält, man erzählt mir, wenn man einen speziellen wunsch hat fertigt die schneiderin innerhalb von wenigen tagen ein kleid, und dann schickt sie eine sms, und man kann es abholen, und das kostet noch nicht mal besonders viel.

 

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