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Nachdem am Freitag Griechenland die müden und langsamen Franzosen geschlagen hat, waren wir noch kurz (und nicht sehr originell) in einer Gyrosbude, und zu Ehren König Ottos spendierte man uns einen Ouzo für jeden.
Am Samstag konnte ich nur das Ende des Spiels im Radio hören, bei jedem erfolgreichen schwedischen Elfmeter brüllten Leute auf der Straße, aber am Ende wurden sie immer leiser, und aus unerklärlichen Gründen (selbst ihr Trainer wirkte schockiert) gewannen die Niederländer ihr Elfmeterschießen, vielleicht ausgleichende Gerechtigkeit, nachdem sie vor vier Jahren im Halbfinale schon während des Spieles zwei verschossen hatten.
Gestern habe ich das letzte Viertelfinale mit meinem Onkel und meiner Tante gesehen, meine Tante kann Fußballkommentatoren noch weniger ausstehen als Fußballspiele, aber mein Onkel mag den Trainer der Tschechen, er findet dass er nach Prager Kaffeehäusern aussieht, der Moderator findet, er lächelt milde, altersweise, wie ein Fuchs, aber seine Spielerstars haben soviel Respekt vor ihm, dass sie sich selbst an ihren freien Nachmittagen nicht trauen, nach Lissabon zu fahren, aus lauter Angst, doch zu spät zu kommen.

zum beispiel mag ich Miriam und André
WEIL sie sich so gut verstehen, obwohl sie sehr unterschiedlich sind, Miriam eher zögernd, nachdenklich und ruhebedürftig, André eher unternehmungslustig, sehr gesellschaftsfreudig und ohne überflüssige Bedenken, trotzdem arrangieren sie sich und machen zusammen das beste aus ihrem Leben. WEIL ich sie ganz schön vermissen werde, jetzt da sie nach Bonn gezogen sind und gestern etwas verloren in ihrer neuen Wohnung standen und so aussahen, als wüßten sie nicht recht, wie das alles passieren konnte, plötzlich in einer anderen Stadt, und in einem Hochhaus zu wohnen, mit Blick aufs Siebengebirge, aber ohne die Möglichkeit, in zwei Minuten mit dem Fahrrad durch die Felder zu fahren. WEIL es nett ist Freunde zu haben wie sie, die ihre Meinung sagen, ermuntern können und im Notfall auch zu einem stehen würden.

vor hubertis hof, einer gaststätte in einem viertel münsters, dass man früher klein muffi nannte, weil viele hafenarbeiter dort lebten, und in dem sogar eine eigene sprache gesprochen wurde, masematte, eine mischung aus platt, jiddisch und rotwelsch, liegt ein bolzplatz, im schatten uralter baumriesen, auf dem gestern ein schützenfest stattfand, schon früh am morgen überquerte eine marschkapelle mit fahnenschwenkern die wolbeckerstrasse, sogar ein pferdegespann war dabei und hielt vor einem haus in einer seitenstrasse, vielleicht um den schützenkönig abzuholen, ein uniformierter junger mann jedenfalls wartete an der wolbecker straße, um notfalls den verkehr zu stoppen und hatte eine fahne in der einen und eine bierpulle in der anderen hand, später habe ich kurz fred besucht, der direkt an dem bolzplatz wohnt und schützenfeste verabscheut, ist ja nicht nur, dass die soviel trinken, schon morgens, meinte er, die blaskapelle spielte gerade new york new york, die haben das alles auch noch bis ins kleinste geregelt, das kannste dir ja gar nicht vorstellen, um sechs fangen die an, und wennde zu spät kommst, kriegste gleich was auf die mütze, und wenn du schützenkönig wirst, mußte bis zu zwanzigtausend euro latzen, also das mußte dir gut überlegen, ob du dazu lust hast, eine lautsprecherdurchsage dröhnte jetzt über den platz, eine nachricht: die bratwürste sind jetzt fertig

David Bowie hat eine neue Identität angenommen: hat sich seinen Bart blond gefärbt, ist Schiedsrichter geworden und hat gestern das Spiel England gegen Portugal gepfiffen. Er war nicht die einzige Ikone auf dem Platz: David Beckham war auch da, allerdings als er selber, sonst hätte er im Elfmeterschießen den Ball nicht meilenweit übers Tor getreten. Und Figo, aber nach Meinung seines Trainers nur noch als Schatten seiner selbst, nach Figos Meinung nicht, deswegen verschwand er nach seiner Auswechslung wortlos in der Kabine und ohne wieder aufzutauchen und verpasste zwei Tore für Portugal, eins für England, je ein nicht gegebenes für jedes Team und den portugiesischen Torwart, der den letzten englischen Elfmeter ohne Handschuhe hielt und danach den entscheidenen für Portugal verwandelte.

Weil es so viel ums Sterben ging diese Woche ein Buch über den Tod:
Ein sanfter Tod von Simone de Beauvoir,
ein schmales autobiographisches Buch, in dem Simone de Beauvoir den Tod ihrer Mutter protokolliert, die auch sehr alt geworden ist, und deren Tod ihrer Familie trotzdem nicht leicht gefallen ist. "Ein sanfter Tod" attestierten ihr die Ärzte, daher der Titel, aber es geht in dem Buch vor allem um all die Konflikte der Tochter, ihrer Mutter das Todesurteil der tödlichen Krankheit vorzuenthalten, ihre Schmerzen zu dämpfen oder so lange wie möglich am Leben zu erhalten, und um die Hoffnungslosigkeit angesichts der Tatsache, dass für Simone de Beauvoir mit dem Tod alles vorbei ist. Also ein trauriges und hartes Buch, aber auch sehr lehrreich, gerade wenn man selber einen Glauben hat, der Trost spendet.

Wenn man ganz genau hinsieht, dann erkennt man doch ein bißchen Fortschritt in unserer Gesellschaft.
In der Autobahnraststätte Dollenberg hat man im Herrenklo zum Beispiel zwischen den Toilettenkabinen die Restaurantwerbung entfernt, die mit Abbildungen Appetit auf Spaghetti Bolognese und Rindsrouladen machen sollte.

an heidelberg schätzt meine mutter, dass rund um die schmale, lange fußgängerzone viele kleine leicht zugängliche parkhäuser liegen, so dass man selbst mit orientierungsschwierigkeiten schnell ein platz für sein auto und den weg in die stadt findet, die abgesehen von der schmalen langen fußgängerzone auch nur noch aus einer brücke und einem schloß besteht, in der fußgängerzone begegnet man vor allem sehr vielen japanischen busgruppen und amerikanischen turnschuhtouristen, auch ein paar wenigen alternativen greenpeaceanhängern, die vielleicht sogar in der stadt wohnen und manchmal am straßenrand singen, außerdem schulkindern, auf dem weg zur bushaltestelle, postkarten gibt es nicht nur von schloß und brücke, auch von schwulen bayrischen königen, die mit heidelberg sonst nichts weiter zu tun hatten, aber touristenfreundlich schlösser an den alpenrand gebaut haben, die gibt es auch als bildschirmschoner oder mousepad, wir sitzen später im fenster eines lokals, mein bruder wollte was deutsches deftiges essen, also schweinshaxe, ein riesiger knochen bleibt übrig, und später guckt jemand durchs fenster und fragt, ob von dem essen nicht noch was übrig ist, wir geben ihm ein paar brote, aber weil ihn das nicht ganz zufriedenstellt, nimmt er sich den schweinshaxenknochen und veschwindet damit in den touristenschwärmen auf dem weg zum weltrekordweinfassschlossgewölbe

Einen Spruch den ich auf Beerdigungen gar nicht mag: naja, tröstlich ist, er war ja schließlich in dem Alter...
Ist das ein Trost?? Als ob das irgendetwas ändern könnte an der Leerstelle, die ein Mensch hinterläßt. Wer stirbt, existiert nicht mehr, und wenn man ihn gerne hatte, vermißt man ihn, egal wie alt er geworden ist. Und egal wie alt er war, wir Menschen haben keine Möglichkeit, ihn zurückzuholen, wie sehr wir das auch wünschen. Nach ein paar Tagen oder Wochen fangen wir schon an, sein Gesicht zu vergessen, und falls wir selber sterben sollten, würde selbst unsere Erinnerung an ihn vergessen sein.

zum Beispiel mochte ich Onkel Fritz immer besonders gerne,
WEIL er der liebenswerteste Opa der Welt war. Leider war er nicht mein Opa, nur der von meinem Cousin, und ein bißchen war ich immer neidisch: ich hätte auch gerne einen kleinen, lieben Opa mit Knuddelnase gehabt, der immer alles mit macht. Er war schon über achtzig, da ist er noch mit seinem Enkel Wildwasserbahn gefahren, hat im Garten Klimmzüge an der Teppichstange gemacht und Fußball gespiel (bis er sich einmal seine Schuhe kaputtgespielt hat, die Sohle hatte sich gelöst und er ist barfuß nachhause gegangen). Das war in Stuttgart, wir haben auf einem Schulhof gespielt und mußten dafür über ein Tor klettern, nur Onkel Fritz ist außen rum gelaufen. Schaffst du es nich mehr hier rüber zu klettern, Onkel Fritz, habe ich etwas erstaunt gefragt. Doch, doch, meinte er, aber was würden denn die Leute denken? Und WEIL er aus Ostpreußen kam und deswegen immer vom heilijen Jeist gesprochen und URall statt Ural gesagt hat. WEIL er zu den Leuten gehört, die eigentlich niemals hätten sterben dürfen, weil wie könnte die Welt ohne sie auskommen?
Freitag ist er gestorben, und jetzt müssen wir erstmal ohne ihn auskommen.

 

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