das universum (eine bibliothek)
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Dieser Titel ist der erste Satz aus Borges Kurzgeschichte "Die Bibliothek von Babel". Jeder, der gerne liest, vergißt zwar nie, das es auch ein Universum außerhalb der bücher gibt, weiß aber auch, das Bücher ein Paralleluniversum sind. Das kann eine Versuchung sein, aber auch eine Bereicherung. Immerhin nährt sich das Universum der Literatur (im gegensatz zum Universum, das bei Borges eine Bibliothek ist) von dem Universum, von dessen Wirklichkeit wir alle überzeugt sind.
Weil ich wenig Ahnung von aktuellen singles, playstationspielen oder fernsehsendungen habe, aber gerne lese, und weil mich ständig Leute fragen, ob ich ihnen nicht mal Bücher empfehlen kann, werde ich in dieser Rubrik Bücher empfehlen, die mir gefallen haben, und bei denen ich kein schlechtes gewissen habe, sie weiter zu empfehlen. Bücher, die zwar - weil sie Literatur sind -Paralleluniversen schaffen, aber vor allem unsere Wirklichkeit bereichern.
Um damit anzufangen, empfehle ich heute ein Buch, das ich gestern zu Ende gelesen habe:
"Dr. Sammlers Planet" von Saul Bellow, ein Buch über einen alten, weisen Mann in New York (er benutzt jeden Morgen die U-Bahn-Station 95.Straße am Broadway, die wir auch immer benutzt haben, auch ein Grund, warum Bücher gefallen), der Krieg und Terror eher zufällig überlebt hat, und finanziert von reichen Verwandten deren Sorgen und Alltäglichkeiten mitträgt, ohne irgendetwas an deren Nichtigkeit ändern zu können. Saul Bellow schreibt nicht nur geistreich, sondern auch liebevoll, und das findet man nicht häufig. (noch lieber mag ich von bellow "die abenteuer des augie march", vielleicht irgendwann mal mehr dazu)

zum Beispiel mag ich meinen Fahrradreparateur,
WEIL er nie Abholquittungen verteilt, die man verlieren könnte, sondern jeden Kunden kennt. Weil ich dort noch nie viel bezahlt habe. Weil er manchmal für zwei Minuten weg ist, um zum Bäcker zu gehen, und weil er so unaufdringlich freundlich ist, daß ich nie Angst habe, zuwenig Geld mit zu haben, denn in diesem Laden würde mir das gar nichts ausmachen.

Im ersten Drittel ihres Lebens hat Djuna Barnes in den Zentren der Welt Berühnmtheiten getroffen, und Affären mit ihnen gehabt, und Bücher geschrieben. Den größen Teil ihres Lebens hat sie in ihrer Wohnung in New York verbracht, völlig alleine. Mit ihren immer weniger werdenden Freunden hat sie immer weniger und nur brieflichen Kontakt gehabt. Als sie über neunzig jahre alt war,ist sie in ihrer Wohnung gestorben, weil sie seit Tagen nichts mehr gegessen hatte, und niemand weiß, ob sie das geplant hat, oder ob es einfach zufällig passiert ist.

zum Beispiel mag ich Theresa,
WEIL sie die sanftmütigste Künstlerin der Welt ist, und weil sie Bienen liebt, war sie auch schon mal Imkerin. Honig, sagt sie, ist nach Joseph Beuys Lebenssaft, Bienen produzieren ohne Nebenwirkung Nützliches und Schönes, und deswegen hat sie letzte Woche ("Ich hatte einen kreativen Schub") Bienenkörbe entworfen, mit Bibelsprüchen über Bienen und Honig, mit Bienenkonferenzen und Sprüchen wie "make honey not war" oder "hier produzieren 100.000 Mitarbeiter - ohne Gewerkschaft"

in berlin in der komischen oper gibt es sehr freundliche platzanweiserinnen, die höflich jeden rauslassen, der kurz mal einen anruf erledigen muss, und noch während die oper läuft, wird man wieder hereingelassen, und wenn der anruf erfolglos war, drücken sie sogar ihr bedauern aus, in dem neobarocken zuschauerraum sitzen ältere damen, die missbilligend den kopf schütteln, wenn zuviel geredet wird, und ältere herren, die hübsche junge blondinen ausführen, und franz münterfering, der trotzdem an der garderobe anstehen muss, und von der decke hängt ein nashorn in lebensgrösse, und das publikum in berlin jubelt, wenn alcina als varieté-star auftritt, mit glitzervorhang und kleinem feuerwerk, aber am ende wird die inszenierung ausgebuht, weil sich der vorhang lüftete und alcina in den leeren bühnenboden zwischen den kulissenschiebern verschwand und richtig abendgarderobe trägt im theater heute auch keiner mehr.

einmal erzählt Lou Reed, der rauchend in seinem Tabakladen sitzt, wie gut er Brooklyn kennt, wie seine eigene Westentasche, schließlich ist er hier aufgewachsen,und daß es sehr viele Orte gibt, die er nicht so gut kennt, zum Beispiel Schweden, oder, hmm, zum Beispiel Denver.
Später überbringt Madonna ein Telegramm und singt Harvey Keitel ein Ständchen, und der erste schwarze Baseballprofi, der bei den Dodgers spielte, als sie noch nicht nach Kalifornien verkauft worden waren, steigt aus seinem Grab und wünscht sich Belgische Törtchen, weil die nirgends so gut schmecken wie in Brooklyn.
In welchem Film?

wenn man als besserwessi in brandenburg am bahnhof aus dem zug steigt, fühlt man sich ein bißchen verloren, und sehr weit im osten, man sieht graue hausfassaden und kopfsteinpflaster und kleine einzelne straßenbahnwaggons und werbung ist das einzig wirklich bunte, dabei liegt brandenburg eigentlich sehr idyllisch, überall gibt es seen und wälder, der historische kern der stadt, ein stadtteil dom genannt, weil dort ein dom steht, viel älter als berlin, liegt selbst auf einer insel, und man kann auch mit der straßenbahn über viele brücken und durch wälder fahren, zum beispiel auf den görden, dort liegt mitten im wald eine riesige strafvollzugsanstalt, in den zwanziger jahren galt sie als fortschrittlich, im dritten reich wurden hunderte dort hingerichtet, auch viele zeugen jehovas, die den kriegsdienst verweigert hatten, direkt nebenan, auch mitten im wald, eine riesige psychiatrische klinik, all das kann man von brandenburg selbst kaum sehen, aber man sieht der stadt an, dass die bevölkerung seit der wende von fünfundneunzigtausend auf fünfundsiebzigtausend zurückgegangen ist, und das zwanzig (offiziel) bis dreißig (inoffiziel) prozent der menschen hier arbeitslos sind, und dass nach der wende westliche multikonzerne die meisten betriebe der stadt aufgekauft und dann nach kurzer zeit geschlossen haben, nur um die konkurrenz auszuschalten.

zum Beispiel mag ich meinen Vater
WEIL er mir, wo immer ich auch gerade bin, eine Kurznachricht schickt, damit ich weiß wie Preußen Münster gespielt hat, meistens denke ich dann, es wäre besser gewesen, es nicht zu wissen. Heute haben sie zuhause 2:2 gespielt, gegen Dresden, also haben sie immerhin einen Punkt gewonnen.

In der Simon-Dach-Straße wohnen zwei Freundinnen in der Wohnung einer Selbstmörderin. Vor ein paar Monaten ist sie aus dem Fenster gesprungen. Die beiden Mädchen, die jetzt in der Wohnung leben, haben einen ganzen Haufen Sachen von der Vormieterin geerbt. Unter anderem auch einen Stapel CD´s. Eine CD heißt: Sei nie wieder allein. Auf ihr hört man, wie jemand den Kühlschrank aufmacht, durch den Flur läuft, sich gedämpft unterhält, die Klospülung betätigt, duscht, bügelt, einen Kaffee kocht oder hinter einer Zimmertür Musik hört.

Zum Beispiel Berlin-Friedrichshain. In der Simon-Dach-Straße sitze ich in einem verrauchte internet-café, in dem halbwüchsige sich videospiele ausleihen und befehle oder schuldzuweisungen über die computer brüllen, nebenan liegt der yogi-snack, in dem freundliche indische kellner einen milchtee spendieren, von gegenüber kommt mittags die verkäuderin aus dem mittelaltertrashladen, sie trägt eine lange, bis zur hüfte baumelmde narrenkappe, um irgendwas mit curry zu essen, möglichst vegetarisch, direkt daneben die blechbar, aus der mein bruder schon ein paar mal geflogen ist, weil er sich mit dem arroganten kellner angelegt hat, gegenüber eine cocktailbar mit riesigen photoreproduktionen von birkenbaumlaubkronen, vor ein paar tagen ist dort ein päarchen aufgetreten, er konnte nicht singen, sie nicht gitarre spielen, dazwischen fährt alle zehn minuten eine schmale, gelbe straßenbahn, sie klingelt, bevor sie die simon-dach-straße überquert, die taubstumme Schneiderin in dem klamottenladen kann das leider nicht hören, aber ihr kleiner braunweiß gescheckter hund, der hinter der ladentür lautlos wache hält, man erzählt mir, wenn man einen speziellen wunsch hat fertigt die schneiderin innerhalb von wenigen tagen ein kleid, und dann schickt sie eine sms, und man kann es abholen, und das kostet noch nicht mal besonders viel.

zum beispiel mag ich daniel,
WEIL er sogar völlig unfähigen, bis vor kurzem noch internet-frei lebenden mitmenschen möglichkeiten schafft, an der wunderwelt des worldwideweb teilzuhaben.
Danke.
was werde ich mit diesem weblog anfangen?
sehen wir es als abenteuer.
das spannende am leben ist: unmögliches wahr zu machen,
zum beispiel: das ich nicht nur ein täglicher internet-nutzer werde, sondern einen beitrag leiste zu einer bunteren, offeneren, weniger küblböck/schönberger-orientierten webkulturgesellschaft.
auf ins abenteuer

 

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